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Rubrik: Lesen statt Hören
03. August 2003

Urlaub und Multiple Sklerose

von Hubert Wallner

Freak-Radio: Und auch die derzeit besten Präparate haben zumindest eines möglich gemacht, nämlich die Nebenerscheinungen zu lindern...

Univ.Prof. Dr. Kolleger: Das ist ganz unzweifelhaft: Alle Interferone sind im Vergleich zu einer langfristigen Kortisontherapie oder auch zu schärferen Mitteln wie zellteilungshemmenden Mitteln ungleich bekömmlicher, wie wohl es so ist, dass alle diese Mittel, wenn man genauer hinschaut, doch eine Reihe von Problemen hervorrufen können, was lokale Reaktionen betrifft, was systemische Antworten betrifft: Manche Leute haben sehr lange Fieber, und bei manchem Präparaten gibt es Hinweise, dass man fast ein wenig allergisch reagieren kann. Bei den meisten Patienten sind diese Nebenwirkungen in den ersten sechs bis acht Monaten ein Problem, es wird dann nach einem Jahr um vieles weniger. Vor wenigen Jahren hat man als Patient eine aggressive Therapie doppelt oder dreifach so stark gespürt wie heute, da musste man auch Vorsichtsmaßnahmen treffen. Man musste viele Blutabnahmen machen und ständig das Blutbild kontrollieren, man musste Harn kontrollieren, manchmal auch Herzbefunde erhebenoder die Blase untesuchen: Alle diese ziemlich eingreifenden Maßnahmen sind jetzt bei den Interferonen in den allermeisten Fällen nicht mehr erforderlich!

Freak-Radio: Das heißt: Wir blicken hoffnungsfroh in die Zukunft und die Lösung steht noch in den Sternen...

Univ.Prof. Dr. Kolleger: Die Pathogenese wie man so schön sagt, der Multiplen Sklerose ist sicher ein ungeklärtes Phänomen, wenngleich sehr viele verschiedene Thesen miteinander darüber streiten, aber es gibt niemanden auf der Welt, der jetzt aufstehen könnte: »Ich habe es gefunden, das ist das Virus, oder das ist der Mechanismus!« Da sind wir, glaube ich, noch einige Schritte davon enternt! Es ist in der letzten Zeit sehr viel passiert, ...

Freak-Radio: Ja, Deutsche Ärzte sagen, sie haben es gefunden, amerikanische Ärzte schreien sofort auf: Das ist falsch...

Univ.Prof. Dr. Kolleger: Ja, das war wieder einmal eine Virus-Hypothese. Ich habe diese Arbeit nicht im Detail gelesen, aber es hat seit Entstehung der Multiplen Sklerose immer wieder, etwa in den letzten zwanzig Jahren, die ich so überblicke, an die zehn bis fünfzehn Mal eine Virus-Hypothese gegeben! Man hat vom Masern-Virus geredet, man hat vom Slow-Virus-Infektion in Zusammenhang mit anderen Erregern geredet, manche reden noch immer von Chlamydien, die angeblich eine Rolle spielen... Die Liste möglicher Erreger ist also lang. Konsequent wäre es, beispielsweise im Fall von Chlamydien eine gewisse antibiotische Therapie einzusetzen, oder wenn man gewisse Viren therapiert, die mit Virostatikern zu therapieren. Das ist auch, je nach dem, welche Theorie gerade modern war, auch verschiedentlich gemacht worden. Nur hat sich dann herausgestellt, dass die MS sehr überraschend und lang verläuft, wie Sie bereits eingangs gesagt haben, und deshalb ist auch der Therapie-Erfolg sehr schwer zu kontrollieren.
Andererseits kann ich einen Patienten mit dieser Erkrankung nicht jahrelang ohne größere Nebenwirkungen mit Virostatikern therapieren.


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