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Rubrik: Lesen statt Hören
14. Oktober 2007

Von Basketball, Beisln und Barrieren

von Katharina Zabransky

Ob Fußballspiel, Kochkurs oder Discobesuch - Sport und Feizeit sind wichtig für das seelische Gleichgewicht. Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht, ihre freie Zeit zu genießen wie alle anderen. Doch nicht barrierefreie Sportstätten und Lokale verderben Betroffenen manches Vergnügen. Freak-Radio hat deshalb gefragt, ob Gleichstellung dort endet, wo die Freizeit beginnt?

Stimmen: ... lesen - mit Freunden treffen - Fußball spielen - kochen - baden - einkaufen - Rad fahren - Kaffeehaus gehen - Tischtennis spielen - Fortgehen am Wochenende - Schifahren - schwimmen - reiten - Theater ...

Roland Spöttling: "Waunnst daham sitzen bleibst und drauf woartst dass´d Eier legst - du legst kane."

Anmoderation, Cornelia Krebs: Laut Statistik Austria geben die Österreicher rund 13 Prozent ihres Einkommens für die Bereiche Sport, Hobby und Freizeit aus. Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht, ihre Freizeit frei von Barrieren zu gestalten und zu genießen, möchte man meinen. Weil viele Sportstätten und Veranstaltungslokal nicht für alle gleichermaßen zugänglich sind, wird so manche Aktivität zum Spießrutenlauf. Endet Gleichstellung dort, wo die Arbeit aufhört und das Vergnügen beginnt? Von Bällen, Beiseln und Barrieren...

Quer durch die Hobbylandschaft von Menschen mit Behinderung. Kein Lernen, kein Arbeiten, sondern einfach nur Spaß - dürfen sie das? Können sie das? Ball spielen mit Behinderung, wie sieht das aus?

Robert Bauer: Der österreichische Behindertensportverband ist die Dachorganisation von sechshundert Behindertensportvereinen in ganz Österreich. Es gibt in jedem Bundesland einen sogenannten Landesverband. Wenn Sie sich an den Landesverband in Wien wenden kann Ihnen der - ganz gleich welche Sportart Sie betreiben, wollen Sie eher Leichtathletik betreiben, wollen Sie eher Schwimmen betreiben oder wollen Sie einen Ballsport betreiben - sagen, welcher Verein Ihnen am besten so ein Angebot stellen kann. Wenn Sie dann in dem Verein Mitglied sind, sind Sie - wie wir sagen - am Beginn einmal ein sogenannter Breitensportler.

Das heißt: Sie betreiben dort Sport zu Ihrem Vergnügen, zur Erhaltung Ihrer Gesundheit. Haben Sie aber besondere Talente, Fähigkeiten, dann werden Sie gefördert und es kann sein, dass sie einer der besten Sportler werden. Die besten Behindertensportler nehmen an den Paralympischen Spielen teil. Die Paralympischen Spiele finden immer drei Wochen nach den olympischen Spielen an den jeweiligen Orten zu den gleichen Bedingungen und auf den gleichen Rennstrecken statt.

Moderatorin, Katharina Zabransky: ... erklärt der Präsident des österreichischen Behindertensportverbandes, Robert Bauer. Breitensportler sind wir doch alle irgendwie. Die Wiener Vizebürgermeisterin und ehemalige Sportstadträtin Grete Laska erklärt aus eigener Erfahrung:

Grete Laska: Ich hab als aktive Sportlerin Tischtennis gespielt und dabei erlebt dass es keine Ausschließungsgründe für Menschen mit Behinderungen gibt. Zum Beispiel Tischtennis zu spielen: wir haben damals im Rahmen der Meisterschaft gegen einen Verein gespielt, wo eine Dame war, die im Rollstuhl gespielt hat.

Moderatorin: Warum ist gerade Tischtennis bei rollstuhlfahrenden SportlerInnen so beliebt?

Andreas Vevera: Es kommt meiner Behinderung zugute und ich kann dasselbe auch mit Nichtbehinderten spielen. Es gibt nicht viele Sportarten die man mit Nichtbehinderten spielen kann und ich kann mich mit Nichtbehinderten messen.

Moderatorin: Meint der Sportler Andreas Vevera dazu.
Ein weit verbreitetes Vorurteil ist, dass man einen Ball sehen muss um damit spielen zu können. Der Mannschaftssport Torball widerlegt das. Der Trainer Michael Ott erklärt wie der Sport funktioniert.

Michael Ott: Das Spiel besteht aus zwei Mannschaften zu je drei Spielern, die sich auf einem Spielfeld von sechzehn Metern Länge und sieben Metern Breite befinden. Die sieben Meter Breite ist gleichzeitig die Torlinie und Ziel ist es, den Ball durch Rollbewegungen bei der gegnerischen Mannschaft über die Torlinie zu schießen. Um das Ganze etwas zu erschweren sind in der Mitte drei Leinen gespannt, in einer Höhe von vierzig Zentimetern, die der Ball unterqueren muss, damit er im zweidimensionalen Bereich bleibt, das heißt leichter zu orten ist. Der Ball selbst hat einen bestimmten Klang, das ist ein Ball der ungefähr die Größe eines kleinen Fußballs oder Volleyballs hat und Klingeln drinnen hat, der eben akustische Geräusche macht, um gehört zu werden.

Dadurch das blind nicht gleich blind ist und das Spiel an sich für Blinde entwickelt worden ist, hat man festgelegt, dass alle Blinde gleich blind gemacht werden. Dazu müssen sie eine lichtundurchlässige Brille tragen, das heißt alle sehen dann wirklich nichts mehr, nur mehr schwarz. Daher ist das Spiel rein auf Akustik aufgebaut. Das geht so weit, dass bei den großen internationalen Turnieren unter der Brille auch noch Eyepads getragen werden müssen um tatsächlich sicherzustellen, dass keiner mehr etwas sieht also weder Licht noch Schatten.

Moderatorin: Ball spielen nach Gehör also. Geräusche von außen sind unerwünscht. Dies gilt insbesondere bei Wettkämpfen. Auch das Publikum muss möglichst leise sein.

Michael Ott: Wenn ich als Mannschaftstrainer Informationen während des Spiels gebe, dann bekommt die Mannschaft eine Bankstrafe und das ist beiden Spielern ganz klar, es ist nur mehr ein Spieler am Feld, was nicht sehr günstig ist und das versuchen die Trainer nach Möglichkeit zu verhindern.

Moderatorin: Von dieser Regel gibt es eine wichtige Ausnahme:

Michael Ott: Die einzigen die reden dürfen sind die Mannschaften im Feld und zwar in der Regel auch nur dann wenn sie in der Verteidigung sind.

Moderatorin: Doch um den Ball erfolgreich abzuwehren muss der Spieler hören wo dieser ist. Das ist gar nicht leicht. Während des Trainings darf natürlich schon gesprochen werden. Der Coach hat alles im Blick.

Michael Ott: Jürgen, ich würde mich ducken, dann kannst du es halten. Genau vor dir ist er. Aber ducken musst du dich, nach rechts, also in Richtung deiner Mannschaft. Du schießt immer grad aber ein bisschen ins Out.

Moderatorin: Keine Sportart ohne Fouls.

Michael Ott: Die Regeln besagen: Ich darf mich erst hinwerfen, wenn der Ball die Hand verlassen hat und eine sogenannte fehlerhafte Verteidigung ist es, wenn ich mich vorher hinwerfe. Weil der Verteidiger dadurch natürlich den Vorteil hat, dass er schon liegt. Das sind die Regeln. Und wenn sie vorher liegen ist es einfach eine fehlerhafte Verteidigung, was genauso geahndet wird, weil sie unter Umständen gewisse Vorteile daraus lukrieren können. Wenn sie entsprechend lang sind liegen sie einfach und die Mauer ist zu und die Regeln besagen das einfach. Genauso ist es nicht erlaubt, zum Zeitpunkt in dem der Ball die Hand verlässt, die Hände auf dem Boden zu haben. Das ist verboten, das ist einfach Reglement. Wenn einer die Hände unten hat nennt sich das ganze fehlerhafte Verteidigung und der Spieler der die Hände unten hatte oder eben frühzeitig gelegen ist muss raus und die anderen müssen halt dann zu zweit verteidigen.

Moderatorin: Es gilt das Motto: "Hände hoch!"

Michael Ott: Es ist ein taktisches Problem wenn es laut ist und der Ball steigt gerade, dann hat der Spieler keine Chance den Ball zu hören, wenn er in der Nähe vom Tor ist. Um das leicht zu machen müssen halt alle entsprechend ruhig sein.

Moderatorin: Fußball ist auf Sehen ausgelegt und Torball also auf Hören.

Michael Ott: Fertig? Anpfiff

Moderatorin: Beim österreichischen Fußball würde mancher wohl gerne beide Augen zudrücken. Aber das wäre eine andere Sendung. Freizeitverhalten ist sehr individuell. Was dem Einen gefällt, ist dem Anderen ein Graus. Letztlich geht es nur darum, die passende Freizeitbeschäftigung für sich zu entdecken und dabei Spaß zu haben. Der Musiker Roland Spöttling ist begeisterter Fußballfan und arbeitet nebenher als Platzsprecher im Fußballstadion. Dass er den Ball nicht sehen kann, stört ihn wenig.

Roland Spöttling: Einem Musiker applaudieren sie. Da merkst sofort, gehen die Leute mit, dann applaudieren sie dir oder wollen eine Zugabe oder sonst irgendwas. Wenn du als Platzsprecher versuchst Stimmung zu machen oder du sagst von einem Torschützen nur den Vornamen und das Publikum schreit schon den Nachnamen, dann weißt du, du machst es eigentlich richtig. Da merkst? automatisch, dass das Publikum dir etwas zurückgibt und mit dem was du machst eigentlich mitzieht, das heißt, dass wir eigentlich dieselbe Wellenschwingung haben und das feeling ist schon was absolut geiles.

Vor dem Spiel schaut?s einmal so aus, nachdem ich meine Aufstellung eben abgetippt habe, meistens mit Musik steuern, wie gesagt das ist von Match zu Match eben unterschiedlich aber normalerweise ist es Musik, dann kommen die Werbedurchsagen eben für die diversen Vereinssponsoren, Ankündigung wann das nächste Heimspiel ist, dann Mannschaftsaufstellung, Begrüßen von Mannschaften, Schiedsrichtern, Fans, Gäste-Fans natürlich, eventuelle Ballspenden oder Ehrenanstöße. Das haben wir beim Sportklub zum Beispiel relativ oft, da ist fast bei jedem Match irgendein Ehrenanstoß. Und dann geht?s los. Dann sitz ich eigentlich nur mehr dort und warte, dass eine von den beiden Mannschaften, hoffentlich in dem Fall unsere Mannschaft, ein Tor schießt.

Dann heißt?s Torschützen ansagen, während der Pause dasselbe wieder, also mit Werbedurchsagen, die wollen meistens vor dem Match und in der Pause genannt werden, Tombolalose bekomm? ich dann, die offizielle Zuschauerzahl ist weiterzugeben und dann die diversen Wechselvorgänge und zum Schluss eben eine Abmoderation: Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, kommt´s gut heim. Oder wenn wir gewonnen haben: Helft´s uns noch ein bissl die Kantine leer zu trinken. Da muss dir halt auf die Schnelle immer irgendein Spruch einfallen oder ich versuch? zumindest, dass mir immer irgendeiner einfällt, dass das nicht einfach in eine Normalität ausartet. Dafür geh´ ich nicht auf den Fußballplatz, dass mir da einer in Tonbandmanier jedesmal dasselbe vorpredigt.

Moderatorin: Woher weiß Roland Spöttling eigentlich, wer das Tor geschossen hat?

Roland Spöttling: Es ist so, dass´d an und für sich natürlich einen brauchst, weil du hörst zwar, wenn der Ball im Tor ist, aber du weißt natürlich nicht wer?s geschossen hat. Es geht natürlich auch, wenn einer drüben bei der Trainerbank sitzt, wenn dich der jetzt mit dem Handy anruft: Du pass auf, der und der hat´s geschossen.
Ich hab eigentlich nie geglaubt, dass der Fußball so ein wichtiger Bestandteil werden kann, er ist es aber geworden und ich möchte ihn nicht missen und ich hab auch sehr viele tolle Erlebnisse mit dem Fußball gehabt. Das ist etwas, dass einen prägt und ich möchte eigentlich nicht darauf verzichten, aber ich würde schon sehr goutieren, wenn man auch als Blinder zum Beispiel die Möglichkeit bekäme, etwas näher ans Feld heranzukommen, damit du einfach deiner Begleitperson die Möglichkeit eröffnen könntest, dir das Match einfach viel näher zu bringen als es oft von irgendeinem Eck im Stadion aus möglich ist.

Moderatorin: Das Fußballstadion ist für viele eine heile Welt, aber für rollstuhlfahrende Fans und Journalisten eine echte sportliche Herausforderung. Grete Laska dazu:

Grete Laska: Grundsätzlich muss man aber sagen, ich meine das Wiener Happelstadion ist 76 Jahre alt, vor 76 Jahren haben andere Bedingungen geherrscht, als wir das jetzt gewohnt sind und daher ist es sicherlich nicht möglich das gesamte Stadion behindertengerecht umzubauen. Das, was bei der Europameisterschaft an zusätzlicher Sitzplatzinfrastruktur hineingehängt wird, also dort wo es zur Laufbahn hinuntergeht, das ist wirklich nur für die Zeit der Europameisterschaft, dass Menschen, also vor allem RollstuhlfahrerInnen im Stadion sein können.

Moderatorin: Zusätzliche Sitzplätze, Lifte und Rampen zu Zeiten der Europameisterschaft sind schön und gut. Aber wo finden rollstuhlfahrende Menschen auch nachher einen Platz im Stadion? Befriedigende Antworten stehen noch aus.

Roland Spöttling: Wenn du zu Hause sitzen bleibst und darauf wartest, dass du Eier legst: Du legst keine!

Moderatorin: Für Christine Fuchs, die vor kurzem einen Blindenführhund beantragt hat, beginnen die Hindernisse schon vor ihrer Haustüre.

Vor allem komm ich dann oben über die große Laxenburgerstraße wo bis jetzt keine Blindenampel ist und ich würde dann für gewisse Wege einfach kürzer brauchen als jetzt. Die Straßenbahn fährt die ganze Siedlung aus und das muss ich ja mit ausfahren weil ich ja nur mit der Straßenbahn fahren kann. Dann könnte ich aber mit dem Bus fahren und der fährt nicht die ganze Siedlung aus, das heißt ich wäre schneller dort, wo ich hinmöchte.

Moderatorin: Deswegen fährt sie mit dem Taxi zu ihrem Lieblingskurs in der Volkshochschule. Das Kursangebot der Volkshochschulen ist ziemlich umfangreich. Das Kursangebot der Volkshochschulen ist ziemlich umfangreich. Ob Französisch, Philosophie, Nähen, Malen oder Kochen - die Freude an der Sache ist wichtig. Doch damit tatsächlich alle teilnehmen können, die wollen, ist viel Denkarbeit notwendig, meint die Leiterin der Volkshochschule Hernals, Francesca Ferraris:

Francesca Ferraris: Was bedeutet es, wenn jetzt eine blinde Teilnehmerin zum Beispiel einen Kochkurs bucht? Worauf muss man da achten, welche Wege sind einzuhalten, damit auch die Chancengleichheit gewahrt ist? Weil, natürlich kann man sagen, blinde Teilnehmer sind herzlich willkommen und die setzen sich in den Kurs und das ist es, aber so funktioniert es nicht.

Moderatorin: Wo ein Wille, da ein Weg - und dort auch Menschen, die sich den Problemen stellen. Frau Christine Fuchs ist blind und kocht dennoch ihr eigenes Süppchen.

Christine Fuchs: Wie gesagt, kochen hat mich in der letzten Zeit schon immer interessiert und da habe ich mir gedacht, ein Kochkurs ist sicher etwas ganz praktisches. Und vor allem habe ich mich mit meiner Halbschwester, die auch bei mir wohnt, beraten, habe gesagt, ich möchte einen Kurs machen und so bin ich eigentlich auf das Kochen gekommen. Weil sie eben arbeiten geht und wenn sie dann nach Hause kommt hat sie ein Essen.

Francesca Ferraris: Tatsache ist, dass wir zum Beispiel im Kochkurs eine Assistenz für die Frau Fuchs gebraucht haben, gar nicht nur für die Frau Fuchs sondern auch für die sehenden Teilnehmer, die sich einfach sicherer fühlen, wenn sie das Gefühl haben, die Frau Fuchs braucht nicht von ihnen ?betreut? werden. Das ist eine Sache, die sich - glaub ich - auch im Laufe der Jahre wandeln wird, aber jetzt im Moment, damit wirklich alle profitieren in einem Kochkurs, der vor allem eintägig ist, wo sehr viele Leute kommen, die vielleicht noch nicht mit einer blinden Teilnehmerin konfrontiert waren, haben wir einfach festgestellt, dass es besser ist, wenn es eine Assistenz für die Frau Fuchs gibt. Weil davon hat sie mehr und die sehenden Teilnehmer haben auch das Gefühl, sie profitieren. Der nächste Punkt: Wenn man wirklich Chancengleichheit ernst nimmt und wenn man Arbeit mit sogenannten nicht-behinderten und behinderten Menschen ernst nimmt, dann ist die Qualität der Kurse weitaus höher, weil die Reflexion viel höher ist. Das heißt, wir überlegen uns alle schon im Vorfeld viel, viel genauer was wir in diesen Kursen erreichen wollen, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in diesen Kursen erreichen können und wollen und was es braucht, damit das erreicht wird.

Moderatorin: Nicht alle sind vom Gedanken des miteinander Lernens angetan. Eine Teilnehmerin fühlte sich durch die bloße Anwesenheit von Frau Fuchs gestört.

Francesca Ferraris:[Zitiert] Nein, also wenn Sie nicht speziell Kurse machen für diese Leute und ich sozusagen damit rechnen muss, dass ein blinder Teilnehmer in einem Kochkurs ist, dann geh ich woanders hin.
Dann habe ich gesagt: Das ist Ihre freie Wahl und das ist ganz in Ordnung wenn sie das machen, es gibt viele andere Schulen, die eben gebäudetechnisch nicht so gemacht sind wie die unsere, die die Küche irgendwo im dritten Stock haben, verschachtelt und so weiter. Dort ist sie vielleicht besser aufgehoben. Unsere Frau Fuchs ist sicher bei uns besser aufgehoben und das ist das Profil das wir einfach haben. Das Thema ist eine Gemeinsamkeit, man hat ein Ziel in einem Kurs, das man gemeinsam verfolgt und jeder von uns hat Stärken und Schwächen und ob man da behindert ist oder nicht behindert ist, ist eigentlich ganz egal.

Moderatorin: Egal ist es auch, wenn es um Spaß geht. Vereine wie die Brücke in Graz bieten unter anderem eine Plattform für Unterhaltung und soziale Kontakte an. Mehrmals pro Woche treffen sich dort junge Erwachsene - mit und ohne Behinderung - um ihre Freizeit gemeinsam zu gestalten. Von Töpfern, über Englisch- und Photokurse zu Tischtennisspielen und Tanzen reicht die Programmpalette.

Doris Schimpl: Der Verein ?Die Brücke? ist Träger für die mobilen Dienste Wohnassistenz, Familienentlastung und Freizeitassistenz. Das äußert sich darin, dass wir pro Woche drei Veranstaltungen speziell für Menschen mit Behinderungen anbieten, im Freizeitbereich und dass wir daneben auch individuelle Betreuungen machen, auf der einen Seite Wohnassistenzen, Familienentlastung aber zu achtzig Prozent Freizeitassistenz, die auch individuell erfolgen kann. Der Bedarf ist sehr groß, wir haben ständig steigende Teilnehmerzahlen über die letzten vier oder fünf Jahre, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass das Land Steiermark Freizeitassistenz bezahlt, dass Leute einen Bescheid bekommen können für Freizeitassistenz und die ganze Sache dadurch einen offizielleren Charakter bekommen hat. Das ist früher so als Blödeln am Nachmittag oder am Abend abgetan worden und ist mittlerweile eine anerkannte Leistung.

Moderatorin: So die Ansicht von Obfrau Andrea Schimpl. Der Bedarf bei Betroffenen nach Assistenz beziehungsweise Begleitung und Unterstützung im Freizeitbereich ist also da.
Auch Elisabeth Kofler sitzt manchmal zu Hause und grübelt über ihre Zukunft. Die Vierunddreißigjährige hat den Hauptschulabschluss erfolgreich nachgeholt und ist jetzt auf Jobsuche. Die Disko des Vereins die Brücke ist für sie eine willkommene Abwechslung und der eigentliche Höhepunkt des Monats:

Elisabeth Kofler: Es ist doch öfters so, dass ich einerseits einsam bin, weil ich schwerer Kontakte knüpfe und andererseits aber auch in der Gruppe irgendwo sehr schwer ins Gespräch komme aber trotzdem irgendwo nicht ganz alleine bin.

Claudia Klemm: Ich gehe halt gern in die Brücke, weil ich mein Tanzbein schwinge möchte und mich einfach amüsieren möchte und das ist auch der Grund, warum ich oft, wenn Disko-Time ist, hierher komme. Weil die Brücke ist die schönste Disko, die ich jemals besucht habe.

Moderatorin: Manfred Kreuzer, ein Mann mit Lernschwierigkeiten, erzählt von seiner Tätigkeit bei der Brücke:

Manfred Kreuzer: Da reiß? ich oft Karten ein, wenn wir Kabarett haben oder Konzerte sind, das mach? ich freiwillig hier bei der Brücke, weil?s mir Spaß macht da.

Elisabeth Kofler: Also ich geh? in die Brücke-Disko weil ich halt oft einen langen Tag hab?, an dem die Zeit nicht vergeht, weil ich zur Zeit auf Jobsuche bin und da ist oft die Zeit sehr lang und da geht man halt hin, wo man nur irgendwo hingehen kann. Am Nachmittag war ich zum Beispiel kegeln mit einer eigenen Runde und das ist einfach ein bisschen Ablenkung und das ist der Grund.

Manfred Kreuzer: Viele Jugendliche saufen bis zum Geht-nicht-mehr und dann müssen sie eingeliefert werden und den Magen auspumpen. Das nennt sich Kummer-Saufen.

Roland Spöttling: Wenn du zu Hause sitzen bleibst und darauf wartest, dass du Eier legst: Du legst keine!

Moderatorin: Begleitung und Assistenz in der Freizeit sind ein wesentlicher Bestandteil, um es einigen Menschen überhaupt möglich zu machen, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Michael Kaindl, Obmann-Stellvertreter des Vereins die Brücke, dazu:

Michael Kaindl: Freizeitassistenz ist für mich etwas, dass Menschen mit Behinderung gewisse Freizeitmöglichkeiten bieten kann, die sie selber nicht durchführen können und sie eben bei den Freizeitaktivitäten begleitet und unterstützt und es sollte im Prinzip für mich kein Lerneffekt im Vordergrund stehen, sondern eben die Freizeitgestaltung. Wenn ein Mensch ohne Behinderung seine Freizeit verbringt schaut er auch nicht, dass er jetzt irgendwelche Lerneffekte daraus zieht sondern er möchte Spaß am Tun haben.

Doris Schimpl: Freizeitassistenz ist in der Gruppe drinnen, hat sicher nicht die Funktion wie ein Fremdenführer vorne weg zu marschieren und hinten watschelt die Herde nach. Das kommt bei Ausflügen auch vor, wenn man irgendeinen Termin einhalten muss, aber man ist Teil dieser Gruppe, die Gruppe reguliert sich selber auch. Die Leute melden sich nach Interesse an und darauf legen wir auch immer viel Wert, dass wir sagen: Bitte, bitte überleg? dir, ob du dir das wirklich anschauen willst, weil nur mitzotteln, ohne Interesse oder Freude daran zu haben, birgt Konflikte. Das ist bei uns durchaus so, dass wirklich die Leute mitgehen, mitfahren, mittun, die ein bestimmtes Thema oder ein bestimmter Veranstaltungspunkt interessiert.

Moderatorin: Abgesehen von baulichen Barrieren gibt es in jedem Bundesland eigene Richtlinien für Assistenz und Begleitung. Freizeitgestaltung kostet Geld, besonders für Menschen mit Behinderung.

Francesca Ferraris: Da gibt es Abmachungen zwischen Bundessozialamt und Fond soziales Wien, wo es heißt: Kurse die eher Freizeit sind, sind dann beim Fond soziales Wien. Ich versuche jetzt sozusagen seit Monaten vom Fond soziales Wien eine Antwort zu bekommen, wie ich das einreichen kann, ob sie sich zuständig fühlen, ob es diese Abmachung wirklich gibt, die mir das Bundessozialamt zukommen hat lassen. Und ich muss sagen, ohne das Bundessozialamt, das einfach sehr kooperativ und sehr unbürokratisch ist, und jetzt einstweilen sagen: Wir drucken die Unterlagen und verrechnen sie nicht, sondern wir machen Ihnen einmal Kostenvoranschläge, würde dieses Projekt sowieso nicht funktionieren. Zum Beispiel Kochkurse, die im Moment nicht als berufliche Weiterbildung gesehen werden, das heißt, wer kommt jetzt für die Kosten für die Erstellung der Braille-Unterlagen auf? Das sind durchschnittlich insgesamt an die hundert Euro pro Kochkurs. Weil natürlich die Arbeit des Mitarbeiters beim ATTM, das zum Bundessozialamt gehört, mit einkalkuliert werden muss. Wenn wir eben wirklich Chancengleichheit schaffen wollen, dann brauchen wir eben zusätzliche Gelder. Ob sich jetzt sozusagen die Volkshochschulen mit dem Fond soziales Wien und dem Bundessozialamt irgendwie auf einen bestimmten Topf für zum Beispiel Braille-Unterlagen einigen, das ist egal, nur Tatsache ist, dass es nicht auf Kosten der blinden KursteilnehmerInnen gehen sollte.

Moderatorin: Francesca Ferraris spricht ein bekanntes Problem an: Unterstützungsmaßnahmen in den Bereichen Ausbildung und Beruf trägt das Bundessozialamt. Für Freizeitaktivitäten beziehungsweise Assistenz ist jedoch das jeweilige Bundesland zuständig. Oft ist die Grenze fließend und der Ball der Finanzierung wird hin und her gespielt.

Der Präsident und Geschäftsführer des Niederösterreichischen Versehrtensportverbandes, Markus Traxler, und der ehemalige Spitzensportler und jetzige Manager Markus Prock zu der Situation im Sportbereich:

Markus Traxler: Wir bieten Körperbehinderten egal welcher Altersgruppe trotz ihres Handicaps das sie durch ihre Behinderung oder Versehrtheit haben, die Möglichkeit dass sie Sport betreiben können. Wir schauen, dass wir die finanziellen Möglichkeiten so ausnützen, um die Sportgeräte, die dazu nötig sind und die Sportanlagen und die komplette Ausbildung zu finanzieren. Wir bieten die Infrastruktur an und versuchen alles zusammen zu bringen um den Sport zu ermöglichen. Ein Unterschenkelamputierter kann nur dann hundert-Meter-Sprinter werden, wenn er die richtige Orthopädie hat und die Orthopädie bei einem Unterschenkelamputierten beläuft sich auf siebentausend Euro.

Markus Prock: Wir haben in Tirol einen Klub, der heißt ?Club of Masters?, da sind alle tiroler Spitzensportler dabei, die einen Namen haben, die Medaillen gewonnen haben und da sind auch einige Behindertensportler dabei. Es sind circa achtzig Leute dabei und man trifft sich immer wieder, hat gemeinsame Aktivitäten.

Sprecherin, Katharina Zabransky: Das liebe Geld und seine Umverteilung werden auch in Zukunft für Diskussionsstoff sorgen.

Ohne Eigeninitiative geht gar nichts. Vielleicht tauchen ja irgendwann einmal findige Wirtschaftstreibende auf, die das Thema Freizeit von Menschen mit Behinderung erkennen und entsprechend verwerten. Und vielleicht gelingt es dann auch, das sportliche, kreative und menschliche Potential, welches darin liegt, zu erkennen. Für sinn- und lustvolle Freizeit für uns alle.

Abmoderation, Cornelia Krebs: Von Bällen, Beisln und Barrieren. Sendungsgestaltung Katharina Zabransky, Christoph Dirnbacher, Peter Steinkellner, Martin Joppich und Chris Egger Technik: Chris Egger und Rainer Kaiser. Mit freundlicher Unterstützung von Cornelia Krebs

Roland Spöttling: Wenn du zu Hause sitzen bleibst und darauf wartest, dass du Eier legst: Du legst keine!


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