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.Von roten Nasen und weißen Kitteln
Ein Aufenthalt in einer Ambulanz ist oft mit langen Wartezeiten verbunden. Aber wenn die Doktoren rote Nasen haben und frei Haus in Behinderteneinrichtungen und Mutter-Kind-Heime kommen, dann ist Abwechslung garantiert. Auch die kleinen Patienten in Spitälern freuen sich über die willkommene Ablenkung
Martin schminkt sich vor dem Spiegel. Er trägt ein buntes Hemd, eine weite Hose und übergroße Schuhe. Eilig stopft er Sticker und rote Nasen in seinen Arztkittel und wird zu Dr. Igor Schlawinsky. Tanja setzt ihre rote Nase auf und zupft ihren Kittel zurecht. Passend zu ihrer Körpergröße hat sie sich den Künstlernamen Dr. Anna X-Large zugelegt. Martin und Tanja sind zwei von 50 Rote-Nasen Clowndoctors in Österreich. Erstmals wurden 1986 in den USA Clowns in Spitälern engagiert, um kranken Kindern Freude zu bereiten. 1994 wurden „Rote Nasen Clowndoctors“ in Österreich gegründet. Im Durchschnitt besuchen die „Ärzte mit der Lizenz zum Lachen“ bis zu 60.000 Kinder im Jahr. Die Organisation betreut aber auch Rehabilitationszentren.
Verwandlung
Mit dem Verlassen der Garderobe streifen Tanja und Martin ihre „zivile“ Identität ab und werden zu Dr. Schlawinsky und Dr. X-Large. Sofort ziehen sie die Blicke der Besucher auf sich. Die beiden lassen sich nicht beirren und lenken zielstrebig ihre Schritte zum Schwesternstützpunkt. Zuallererst muss der Bürokratie Genüge getan werden. Bei der „Übergabe“ erfahren die Clowns, welche Patienten sie besuchen dürfen und worauf sie bei den jeweiligen Kindern achten müssen. Als Dankeschön haben Anna und Igor immer Sticker parat, die bei den Schwestern Sammlerwert besitzen.
Anschließend ziehen Anna und Igor gemeinsam musizierend von Zimmer zu Zimmer. Igor ist ein Meister der Mandriola, Anna zieht ihre Harmonika vor. Die Clowndoctors sind stets zu zweit im Einsatz, weshalb Teamfähigkeit groß geschrieben wird. Eine eigene Ausbildung zum Clown bzw. Clowndoctor gibt es bei den Roten Nasen nicht. Angeboten werden zwar Workshops für Menschen, die beispielsweise im pflegenden Bereich tätig sind. Dort haben sie die Möglichkeit Skills zu erlernen, wie sie aus der Alltagsjobroutine ausbrechen und mit Humor arbeiten können. Clowndoctoren sind sie nach diesen Workshops jedoch nicht. Die Rote Nasen Clowndoctors können sich in der Internationalen Schule für Humor weiterbilden.
Bei Bedarf werden „Clownitions“ veranstaltet, bei denen die Bewerber ihr humoristisches Talent unter Beweis stellen müssen. Viele kommen aus dem darstellerischen Bereich. Martin ist Schauspieler und derzeit am Burgtheater zu sehen. Tanja ist bereits seit dreizehn Jahren bei den Roten Nasen. Sie coacht die Clowndoctors in Graz und ist auch im Wiener Clowntheater Olé engagiert.
Der Star
Anna und Igor klopfen an die Tür eines Buben. Dr. X-Large steckt den Kopf hinein. Igor drängelt. Der Bub liegt im Bett. Neben ihm sitzen seine Eltern. „Du bist bestimmt berühmt, weil du so viel Besuch hast“, meinen die beiden „Ärzte“. Der Bub nickt zustimmend. Igor deutet zum Vater und ist überzeugt: „Das ist sicher der Manager!“ und möchte ein Autogramm. Anna drängt sich vor: „Ich will auch ein Gramm Auto!“ Igor und der Junge korrigieren sie, jedoch erfolglos. Die beiden Clowns stellen fest, dass die Kräfte des Stars geschont werden müssen. So unterschreibt Igor stellvertretend für den Buben, der zur Erinnerung eine rote Nase erhält.
Improvisation ist alles
Jeder Besuch ist einzigartig, wie auch die Kinder selbst. „Improvisation ist das oberste Gebot“ betonen Tanja und Martin. So ist es besonders wichtig, die Freude am Job zu erhalten. Daher ist jeder Clowndoctor durchschnittlich nur sieben Mal pro Monat im Einsatz. Die Herausforderung dieses Berufes liegt darin, sich auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder einzustellen. Bei den jüngsten Patienten kommen oft Musik und Seifenblasen zum Einsatz. Ältere Kinder bevorzugen Wortspiele. Die Clowns sind meist gern gesehene Gäste. Manchmal jedoch löst der Besuch der Clowndoctoren bei kleineren Patienten auch Furcht aus. Martin erklärt: „Kleinkinder können große Angst vor Masken haben.“ Auch heute reagiert ein kleines Mädchen mit Furcht. Anna lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Gekonnt entspannt sie die Situation, indem sie durch den Türspalt eine Esel-Handpuppe sprechen lässt.
Clownambulanz
Martin besucht nicht nur Patienten in den Spitälern. Als „Dr. Igor Schlawinsky“ besucht er mit der Rote Nasen Clownabulanz auch regelmäßig Patienten in sozialen Einrichtungen. Diese reichen von Institutionen für Menschen mit Behinderung und Flüchtlingsheimen bis hin zu Hospizstationen. Die Besuche, die punktuell durchgeführt werden, sollen den Menschen Aufmunterung und Abwechslung garantieren. Das besondere an der Clownambulanz ist, dass sie im Alltag der Menschen stattfindet. Zur Vorbereitung zählt auch eine ausführliche Vorbesprechung mit dem Pflegepersonal.
Elisabeth Ornauer, Pressesprecherin der Rote Nasen Clowndoctors, erinnert sich an eine besonders schöne Begegnung der Clowndoctoren und Menschen mit Behinderung. Beim Sommerfest im David-Zentrum der Dikanoie Waiern/Kärnten wurden „Späße getrieben, gelacht und sogar gemeinsam Schwanensee getanzt“. Von den 90 Personen mit teils schwerer mentaler und/oder körperlicher Behinderung trugen viele noch zwei Stunden nach dem Besuch rote Nasen. Nach zwei Stunden ist die Visite zu Ende. Im Lift und auf dem Weg zur Garderobe musizieren die beiden Clowns munter weiter.
Kaum schließt sich die Tür der Umkleide hinter ihnen, verwandeln sich Dr. Schlawinsky und Dr. X-Large nach und nach wieder in Martin und Tanja. So wie die beiden Künstler als Privatpersonen die Klinik verlassen, kehrt wieder der Alltag im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt ein.
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