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Rubrik: Lesen statt Hören
07. Januar 2007

Was plant Österreichs Politik für Menschen mit Behinderung 2007?

von Gerhard Wagner


Im vergangenen Wahlkampf war das Thema »Pflege« ein Hauptthema. Dabei stellte sich heraus, dass es weniger um Pflege als vielmehr um Unterstützung bei alltäglichen Dingen geht. Das Pflegegeld hat so viel
an realem Wert verloren, dass es den täglichen Bedarf längst nicht mehr
deckt, beschweren sich die ExpertInnen in eigener Sache der Behindertenorganisationen.
Oder was haben jene zu erwarten, die am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen oder so wohnen wollen, wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht?
Welche aktuellen politischen Ziele haben derzeit die Selbstvertretungseinrichtungen von Menschen mit Behinderungen und welche Chancen gibt es, dass diese von der Politik verwirklicht werden?
Diese Fragen stellt Gerhard Wagner an Vertreter der Politik Dr. Franz-Josef Huainigg (ÖVP) und Mag. Christine Lapp (SPÖ) sowie an Mag. Dorothea Brozek, die Leiterin der Wiener Assistenz-genossenschaft und Expertin in eigener Sache.

Signation

Moderation, Gerhard Wagner: Was plant Österreichs Politik für Menschen mit Behinderungen 2007? Das ist die Frage, die wir uns heute aus dem ORF Kulturcafe in Wien stellen. Willkommen bei der ersten Sendung von Freak Radio im neuen Jahr sagt Ihnen Gerhard Wagner. Ich begrüße hier im Studio Frau Mag. Dorothea Brozek, sie ist im Vorstand der Wiener Assistenzgenossenschaft. Können Sie uns als Anfangsstatement vielleicht ganz kurz sagen: Was ist für Sie das wichtigste Anliegen im Jahr 2007?

Mag. Dorothea Brozek, Wiener Assistenzgenossenschaft: Im Jahr 2007 ist es ein ganz großer Schwerpunkt das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz weiter voranzutreiben und noch mit ganz wesentlichen Punkten aufzufüllen. Ein weiterer Punkt, der da auch dabei ist, ist die schulische Integration, wo noch ganz ganz viel zu tun ist. Und ein weiterer Punkt, der natürlich mir ? sowohl persönlich als auch beruflich ? sehr sehr wichtig ist, ist ein Ausbau der Persönlichen Assistenz, eine bundeseinheitliche Regelung aus einer Hand für alle behinderten Menschen, die es brauchen.

Moderation: Ich begrüße ebenso herzlich die Frau Abgeordnete zum Nationalrat, Mag. Christine Lapp! Sie ist Behindertensprecherin der SPÖ. Was hat für Sie in diesem Jahr erste Priorität?

Mag. Christine Lapp, Behindertensprecherin der SPÖ: Einen schönen guten Tag und alles Gute für 2007. Wir haben uns viel vorgenommen für das heurige Jahr. Es ist ja das Europäische Jahr der Antidiskriminierung, daher denke ich mir, dass das Thema ?Der Kampf gegen Diskriminierung? auch auf europäischer Ebene sehr wichtig ist und ich glaube, dass wir diesen Schwung auch in unser Land nach Österreich hinüberziehen sollten. Das sind für mich drei wesentliche Aspekte: Der Abbau von Barrieren, also wirklich räumliche Barrieren. Ich denke mir, hier muss es Anlaufstellen für Menschen geben, damit das Thema der Barrierefreiheit, das ja nicht nur auf Rollstuhlfahrer beschränkt ist oder auf Leute, die nicht so gut gehen können, auch für Leute mit Kinderwägen gilt und auch bei anderen unterschiedlichen Zugängen in unserer Gesellschaft sehr notwendig ist. Der zweite Punkt ist der Zugang zur schulischen Integration. Auch hier sind weitere Schritte notwendig. Und ein wesentlicher Punkt ist für mich natürlich auch der Arbeitsmarkt. Die Sozialdemokratische Partei hat das als ein sehr wichtiges Anliegen. Es geht auch darum, dass behinderte Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Auch dann, wenn man am Arbeitsmarkt behindert wird durch Krankheit, Erkrankungen, Unfälle etc., sodass man im Arbeitsmarkt verbleiben kann.

Moderation: Jetzt haben wir schon eine Fülle an Themen auf dem Tisch. Ich möchte gern als 3. den Herrn Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Franz-Josef Huainigg von der ÖVP begrüßen und ich werde jetzt gleich ein anderes wichtiges Thema anschneiden: Im vergangenen Wahlkampf und zu Beginn der Koalitionsverhandlungen war das Thema ?Pflege? ein Hauptthema. Dabei hat sich herausgestellt, dass es weniger um Pflege sondern viel mehr um Unterstützung bei alltäglichen Dingen geht. Das ist aus dieser Diskussion auch immer wieder herausgekommen. Das Pflegegeld aber, das eine wichtige Voraussetzung für diese Unterstützung ist, hat, seit es eingeführt worden ist, sehr viel an Wert, an realem Wert, verloren. Das sagen auch die Wirtschaftsexperten. Und verschiedene Behindertenorganisationen und die Vertreter und Vertreterinnen sagen, dass das den Bedarf schon längst nicht mehr deckt. Man hat gehört, dass in den Koalitionsverhandlungen von einer festzuschreibenden Anpassung des Pflegegeldes an die Inflation die Rede war, 2007 ist es aber noch nicht erhöht worden. Die Frage ist, können Sie das schon sagen? Kommt das noch und warum ist es nicht gleich zu Jahresbeginn gekommen?

Dr. Franz-Josef Huainigg, Behindertensprecher der ÖVP: Hallo! Ich wünsche auch ein gutes neues Jahr. Auf dass es?ja, wir werden sehen was es bringt. Vielleicht eine große Koalition? Zur Frage zum Parlament: Es hat noch keine Valorisierung des Pflegegeldes gegeben weil es keine Regierung gibt, aber ich denke, es wird eine der Aufgaben der Regierung sein, dass sie sich um das Thema Pflege annimmt und das Thema Pflege steht auch auf der Tagesordnung, spätestens seit dem Sommer letzten Jahres. Es hat die Arbeitsgruppe gegeben von der Landeshauptfrau Klasnic, wo sehr viele Dinge konzipiert worden sind und es gilt jetzt das umzusetzen. Vor allem ist die Frage, wie eine 24-Stunden-Pflege aussehen kann und hier gibt es Lücken, das weiß man, und de facto ist es so, dass eine 24-Stunden-Pflege auch Betreuung beinhaltet und gerade das gilt es zu berücksichtigen und in Modelle auszuweiten, die auch finanzierbar sind.

Moderation: Jetzt hat der Herr Abgeordnete auch schon von der Pflege rund um die Uhr gesprochen, also von der 24-Stunden-Pflege. Auch die Pflegestufe steht zur Diskussion. Frau Abgeordnete, können Sie dazu schon etwas sagen zumindest zu Wünschen oder Visionen - was sollte möglich sein?

Christine Lapp: Ich glaube, dass sehr viel zu diesem Thema gearbeitet wurde und gerade die Diskussion im Sommer hat gezeigt, dass das ein Thema ist, mit dem sich viele Leute beschäftigen und das ist wichtig. Von den Verhandlungen weiß ich, dass man sich jetzt nicht punktuell eine Sache hernehmen kann um zu sagen, mit dem machen wir hier diese eine Sache, egal ob Valorisierung oder nicht, obwohl die Valorisierung meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Die wird es in jedem Fall in einer Form geben. Aber man muss sich dann auch noch anschauen, dass 24-Stunden-Pflege nicht das ist, wie man sich das im klassischen Sinne vorstellt. Da gibt es auch Betreuung, da gibt es Animation, Mobilisierung etc., das sind also sehr viele Bereiche. Ich glaube es ist wichtig, dass man sich die mobilen Dienste anschaut, dass sie ausgeweitet werden, denn auch hier gibt es Unterschiede zwischen Wien und Bregenz, sie sind sehr sehr groß und hier denke ich mir ist es egal ob jemand in Vorarlberg oder in Wien lebt. Es muss halbwegs gleiche Möglichkeiten und Gegebenheiten geben.

Moderation: Frau Mag. Brozek, ich glaube genau dieses Thema ist ja auch für die Wiener Assistenzgenossenschaft ein sehr wichtiges ? wie ist denn Ihr Zugang zu diesem Thema?

Dorothea Brozek: Für die Assistenzgenossenschaft ist es insofern ein wichtiges Thema als die Genossenschaft ein Zusammenschluss von behinderten Frauen und Männern ist, die diesen Betrieb vor fünf Jahren gegründet haben weil wir behinderte Experten und Expertinnen ? wir behinderte Frauen und Männer ? einfach Wahlmöglichkeiten wollten zu Heimen, zu Ursprungsfamilien und zu institutioneller Unterbringung. Das ist mir ganz wichtig zu sagen. Wir sind selbst betroffene Experten und Expertinnen, die hier sozusagen ein ?ambulantes Angebot? geschaffen haben nach internationalem Vorbild - nämlich in Form von Persönlicher Assistenz. Das ist ein Angebot, das nicht neu erfunden wurde, sondern das läuft international schon sehr erfolgreich und ich denke mir, was die Umsetzung betrifft, da würde ich wirklich beide Verantwortlichen von beiden Parteien ersuchen nicht zu lange zu konzipieren und zu denken sondern wirklich umzusetzen. Schweden hat ein wunderbares Assistenzsicherungsgesetz, Schweden hat wunderbare Konzepte in der Betreuung alter Menschen und anderer betreuungsbedürftiger Menschen und hier ersuche ich wirklich darum, hier endlich Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Zeit der Projekte ist vorbei. Wir brauchen endlich Lösungen und die gibt es.

Musik

Moderation: Sie hören Freak Radio auf Mittelwelle 1476 heute zum Thema: Was plant Österreichs Politik für Menschen mit Behinderungen 2007? Wir berichten live aus dem ORF Kulturcafe. Frau Mag. Brozek, Sie wollten zu dem Themenbereich Pflegegeld/ Assistenz/ Persönliche Assistenz noch ein bisschen was sagen?

Dorothea Brozek: Ja, mir ist das noch ein Anliegen. Denn zu einer Vorschau und zu Forderungen ? ich sehe mich als Interessensvertreterin von behinderten Menschen - gehört schon auch eine Rückschau. Hier möchte ich natürlich schon auch sagen: Gerade im Bereich der Persönlichen Assistenz ist in den letzten Jahren gewaltig was passiert und da möchte ich an dieser Stelle dem Abgeordneten Franz-Josef Huainigg wirklich für seinen Einsatz danken, dass die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz in dieser Form so bundesweit mit der Richtlinie geschaffen worden ist, und natürlich auch der Frau Abgeordneten, dass sie in ihrer Rolle einfach auch immer hinter der Idee gestanden hat. Das war mir noch wichtig, denn hier ist ja gemeinsam auch schon viel passiert. Aber nichts desto trotz, vergessen Sie meine Worte nicht, die ich vorher gesprochen habe. Wir müssen da immens gemeinsam weitermachen.

Moderation: Ich habe jetzt alle anderen schon über die Schwerpunkte, die 2007 geschehen sollen, gefragt, nur Herrn Abgeordneten Huainigg noch nicht. Welche Schwerpunkte sind für Sie im Jahr 2007 besonders wichtig?

Franz Josef Huainigg: Ich möchte erst noch etwas zur Persönlichen Assistenz sagen: Ich lebe auch mit Persönlicher Assistenz und ich weiß wie wichtig das ist und wie gut das auch funktionieren kann. Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz funktioniert österreichweit auch recht gut und ich habe auch in den Verhandlungen eingebracht, dass wir eine bundeseinheitliche Regelung zur Persönlichen Assistenz auch im Freizeitbereich schaffen, aber das wird in absehbarer Zeit leider nicht passieren weil die Länder strikt dagegen sind. Jedes Bundesland möchte, dass ich etwas mache. Man sieht auch die Prägnanz und die Notwendigkeit was zu tun aber die Länder wollen sich diese Kompetenz nicht nehmen lassen, sie wollen keine österreichweite Regelung. Zu meinen Prioritäten finde ich das Fazit, dass auch die schulische Integration sehr wichtig ist. Dass es passiert, dass es nach der Schule eine Weiterführung gibt: Also über Schule, Beruf, auch mit der teilqualifizierten Lehre wurde eine Möglichkeit geschaffen, die sehr gut funktioniert. Es hat seit dem letzten Jahr 1000 neue Lehrverträge gegeben, die meisten in der Privatwirtschaft. Aber ich glaube, dass es auch neue Modelle braucht, dass auch alle berufsbildenden Schulen aufgerufen sind, hier Integrationsmodelle zu entwickeln. Und das zweite sind Themen wie Eugenische Indikation: Dass es immer passieren kann, dass behinderte Kinder, behinderte Föten, bis zur Geburt abgetrieben werden dürfen. Das sollte aus dem Gesetz gestrichen werden. Gerade die Spätabtreibungen sind ethisch/ moralisch nicht erträglich. Ein weiteres Thema ist es natürlich Arbeitsplätze für behinderte Menschen zu schaffen. Hier ist sehr viel passiert, aber es braucht neue Modelle. Gerade beim Kündigungsschutz haben viele Unternehmer Angst, dass sie behinderte Menschen nicht mehr los sind, wenn sie sie anstellen. Hier wollen wir ein neues Modell versuchen, nämlich eine Agentur, die behinderte Menschen beschäftigt und sie später auch weiter verleiht an Betriebe, damit Betriebe keine Angst haben müssen, dass sie den Behinderten nicht mehr los werden wenn sie ihn nicht mehr benötigen. Wir werden hier ein Pilotprojekt starten.

Moderation: Bleiben wir vielleicht gleich beim Themenschwerpunkt Arbeit. Eine Sache, die immer wieder in Diskussion steht, ist der Schutz für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit Behinderungen. Ich habe gestern mit zwei Menschen gesprochen, die zufällig erfahren haben, dass ich bei Freak Radio arbeite und die mir erzählt haben, dass sie einen Unfall gehabt haben und durch diesen Unfall auch immer wieder im Krankenstand sein müssen - drei Monate - und das genügt dann schon, dass die Stelle dann nicht mehr verlängert wird. Das ist ein sehr sehr heikles Thema dieser Kündigungsschutz mit Behinderung, weil es da auch noch viele Arbeitgeber gibt, die sagen, naja, das sind zu große Hürden, da nehmen wir die Leute gar nicht auf. Frau Mag. Lapp, was ist das Konzept oder wie kann man diese Problematik, die immer wieder anklingt, verbessern?

Christine Lapp: Meiner Meinung nach ist das nur ein Verdrängungswettbewerb. Wenn wir den Kündigungsschutz lockern oder aufmachen würden, weil gelockert ist er ja von der letzten Regierung schon, dann würde das bedeuten, dass jene Menschen, die schon länger in Beschäftigung sind, hinausfallen würden und junge Menschen einsteigen könnten. Da kann man jetzt sagen man setzt auf junge Menschen oder auf die älteren Menschen. Ich denke mir, es geht darum Arbeitsplätze und Arbeitsmöglichkeiten anzubieten. Ich glaube auch, dass es für Wirtschaftsbetriebe sehr wichtig ist zu erkennen, dass behinderte Menschen auch Talente und Fähigkeiten haben, dass sie nicht nur ein Klotz am Bein sind. Wir setzen hier darauf, dass es über das Bundessozialamt ein Lotsensystem geben soll für Unternehmen, denen ? wenn sie einen behinderten Arbeitnehmer oder eine behinderte Arbeitnehmerin einstellen ? etwas abgenommen wird. Da gibt es Förderungen, Unterstützungen, da gibt es Coachingangebote, Weiterbildungsangebote etc. Da gibt es an und für sich schon sehr viel, aber ein einzelner Unternehmer kann sich da nicht auf den Weg machen, der hat andere Dinge zu tun. Hier wäre es glaube ich sehr wichtig wenn man von Seiten der öffentlichen Hand eben auch die Hand ausstreckt und die Unternehmen zu mehr Einstellung von behinderten Menschen führt. Und der andere Aspekt ist dann für behinderte Arbeitnehmerinnen und behinderte Arbeitnehmer selbst. Vor allem dann für jene Menschen, die schon längere Arbeitszeiten haben, dass diese die Rehabilitationsmaßnahmen nur sehr schwer erreichen. Wenn man einen Arbeitsunfall hat dann ist das klar geregelt. Aber wenn man krank wird etc. muss man sich immer von einer Stelle zur nächsten hanteln und auch hier wäre es wichtig und hier planen wir auch, dass Rehabilitationsmaßnahmen gebündelt sind. Mein ?Sager? ist da immer, es sollen die Akten rollen und nicht die Menschen, dass eben im Hintergrund sämtliche Träger, die wir haben ? Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Bundessozialamt ? dass es hier diese Aufgabenteilung gibt. Und so denke ich mir wäre es dann auch möglich, dass behinderte Menschen wahrgenommen werden, dass sie gute Arbeitskräfte sein können und für Unternehmen auch sehr wertvoll sind. Und ? entschuldigen Sie ? ein weiterer Aspekt ist die Ausgleichstaxe. Es ist ja immer so, dass gesagt wird, die armen Unternehmer, die müssen was zahlen, wenn sie keine behinderten Menschen anstellen. Also von Seiten der Wirtschaft wird das immer gesagt. Auch hier denke ich kann man sich ein System einfallen lassen, dass man jenen einen Bonuspunkt gibt, die die Einstellung erfüllen oder darüber hinaus sind. Und je weniger die Einstellungen erfüllt werden umso mehr müssen sie bei der Ausgleichstaxe zahlen. Auch dieses Modell haben wir eingebracht und, was ich mir denke, was auch noch wichtig ist bei Klein- und Mittelunternehmungen, die ja gar keine Einstellungsverpflichtung haben, aber da schon sehr viel übernehmen: Auch hier soll es ein Bonussystem geben für kleine und mittlere Unternehmen, sodass wir bei der Beschäftigung von behinderten Menschen weiterkommen.

Moderation: Dieses Bonus/ Malus-System könnte man dann ja auch gleich für den Bund einführen, da gibt es ja auch einige Ministerien, die die Quoten sehr gut erfüllen oder übererfüllen und andere, wie das Bildungsministerium, die das noch immer nicht erfüllen.

Christine Lapp: Ich muss dazu sagen, dass es beim Bildungsministerium eine gesetzliche Änderung gab, dass jetzt auch dieses Berufsverbot gefallen ist. Also denke ich mir wird sich das auch ändern.

Moderation: Früher haben bestimmte Berufe ja eben gesetzliche Hürden gehabt, dass man bestimmte Berufe mit Behinderung überhaupt ergreifen konnte. Jetzt können auch Menschen mit Behinderung zum Beispiel leichter Lehrer oder auch Jurist werden. Ich möchte noch einen Aspekt zum Thema Arbeit erwähnen: Es gibt verschiedene Unterstützungen wie zum Beispiel die Dauerleistung in Wien oder die Waisenpension, die Menschen mit Behinderungen haben wenn sie noch nicht arbeiten. Es ist bei der Dauerleistung in Wien so, dass es Übergangszeiten gibt, wo man einen Job ausprobieren kann, wo man sozusagen schnuppern kann und dann nicht um diese Leistungen umfällt. Meines Wissens ist es in den letzten Jahren bei der Waisenpension aber noch nicht gelungen das herbeizuführen. Ist an das gedacht, dass man auch bei der Waisenpension die Möglichkeit hat während einer Übergangsfrist zu arbeiten, ohne dass man dann um diese Unterstützung auf Dauer umfällt? Denn wenn sich dann nach einem halben Jahr herausstellt, dass es im Beruf doch nicht so geht wie man sich das gedacht hat, und man dann womöglich vor dem Nichts steht. Herr Abgeordneter?

Franz Josef Huainigg: Das ist in erster Linie eine Ländersache, aber ich glaube, dass man gerade den Menschen, die eine Dauerleistung bekommen, ermöglichen sollte, dass sie in den Arbeitsmarkt eintreten oder probieren in den Arbeitsmarkt zu gehen ? in den ersten Arbeitsmarkt und nicht im geschützten Bereich bleiben und wenn es nicht funktioniert, eine Möglichkeit schafft, um ins sichere Netz zurückkehren zu können. Hier gibt es sehr viele Versuche und Modelle und die muss man ausbauen.

Christine Lapp: Darf ich noch etwas einfügen?

Moderation: Bitte!

Christine Lapp: Für mich ist auch der Vorschlag über die Grundsicherung, den wir eingebracht haben, also mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung, ein Aspekt, wo ich für behinderte Menschen eine Chance sehe, dass sie leichter tätig sind, ohne aus ihrem sozialen Netz heraus zufallen. Das wäre sicherlich ein Weg, wo man ohne viel Gesetzesänderung behinderten Menschen ermöglichen kann umzusteigen und sich aktiv in den Arbeitsprozess einzubringen. Wir werden sehen, wie sich das dann entwickelt. Wenn nicht, dann denke ich mir schon, dass es Änderungen geben muss im Bereich des ASVG.

Moderation: Die Grundsicherung würde Menschen mit Behinderungen auch betreffen?

Dorothea Brozek: Wobei zu der kolportierten Mindestsicherung?was ich hier dazu sagen möchte bzw. was ich sehr kritisch sehe, ist, dass die Arbeitswilligkeit als Kriterium hergenommen wird. Die Arbeitsfähigkeit- und Willigkeit ? das ist mir noch nicht ganz klar, das sehe ich ein bisschen kritisch, das sollte man sich anschauen: Menschen, die nicht arbeiten können, ob die da nicht hinausfallen? Das würde für mich eine Mindestsicherung ad absurdum führen. Und das zweite ist die verpflichtende gemeinnützige Arbeit, die da auch in dem Zusammenhang gefallen ist. Dass da Menschen mit dieser Arbeitsfähigkeit/ Arbeitswilligkeit dann auch verpflichtet wären gemeinnützige Arbeit zu machen und da fällt dann sehr oft der Bereich der Pflege. Und ich verwehre mich ganz einfach, dass Menschen zwangsverpflichtet werden in so sensiblen Bereichen wie der Pflege oder anderen Bereichen, wo mit Menschen gearbeitet wird. Das ist einfach verwerflich und es ist unethisch, also wirklich, das ist nicht okay.

Moderation: Wir haben noch vier Minuten bis Sendungsende aber es besteht jetzt hier im Publikum die Möglichkeit, dass Sie eine kurze Frage stellen und die Runde antwortet. Gibt es irgendjemanden, der eine Frage zum Thema stellen möchte?

Publikumsmeldung: Es gibt zurzeit für schwere Pflegefälle eine Sonderregelung. Ich weiß von verschiedenen Leuten, dass diese Sonderregelung in Frage gestellt wird, das heißt der Fond Soziales Wien hat schon angekündigt, dass es da eine neue Regelung geben wird. Wie wird das ausschauen, denn für diese Leute geht es um die Existenz, um das Überleben.

Ich würde vorschlagen, wir sammeln die Fragen. Hier hinten war auch noch eine Stellungnahme.

Publikumsmeldung: Ich hätte eine Frage, und zwar: Es gibt ? wie vorhin schon erwähnt ? Arbeitsunfälle und es gibt Unfälle, die außerhalb der Arbeitszeit passieren und dadurch entsteht bei behinderten Menschen eine Zweiklassengesellschaft. Gibt es hier Möglichkeiten, dass Zivilunfälle so gehandhabt werden, dass sie mit einem Arbeitsunfall gleichgestellt werden? Denn es gibt hier totale Intrigen, wie ich in den letzten Jahren festgestellt habe.

Moderation: Gut, Dankeschön! Vielleicht zu dieser Frage ? wer möchte hier antworten?

Christine Lapp: Ich denke mir zur letzten Frage: Es geht hier darum, wer hier in welchen Topf einzahlt und wo man dann die Leistungen herausbekommt. In die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt zahlen die Arbeitgeber ein, das heißt, man müsste dann für ArbeitnehmerInnen oder für Menschen in der Freizeit eine Freizeitunfallversicherung einführen und ich glaube, das verpflichtend zu machen wird schwierig. Da haben wir uns auch immer dagegen ausgesprochen. Ich glaube, was wichtig ist, dass man sich anschaut, dass es von Seiten der Kranken- und Pensionsversicherung Unterstützungsmöglichkeiten gibt. Denn wenn man einen Freizeitunfall hat oder wenn man eine Krebserkrankung hat, dann ist die Pensionsversicherung für die Rehabilitation zuständig. Ich denke mir, dass es hier auch möglich sein muss, dass die Träger hinter dem Vorhang besser miteinander arbeiten. Und zur Frage zum Fond Soziales Wien: Da muss ich mich erkundigen, ich kenne diese Sonderregelung nicht, da müsste ich nachfragen. Ich werde es Ihnen dann gerne sagen.

Moderation: Herr Abgeordneter, wollen Sie auch noch was dazu sagen?

Franz-Josef Huainigg: Ich glaube, egal, wer der Träger ist, die Leistung muss einfach die gleiche sein.

Dorothea Brozek: Es stellt sich die Frage, wer im Mittelpunkt steht. Steht der behinderte Mensch im Mittelpunkt mit diesen und jenen Bedürfnissen und natürlich auch die, die dann Geld kosten und dass das eine Gemeinschaft, die sich stark nennt, irgendwie regelt, unabhängig davon wer wo hineinzahlt. Behinderung ist einfach ein Risiko, das jeden Menschen treffen kann. Egal, ob in der Arbeitszeit, in der Freizeit oder aufgrund von Erkrankungen. Und ich denke, auch hier muss einfach ein Paradigmenwechsel, ein Sichtwechsel stattfinden, unabhängig von Töpfen wo wer was einzahlt.

Moderation: Wir sind schon fast am Ende der Sendung. Ich bedanke mich bei Ihnen für die interessante Diskussion. Wir werden ja im Laufe dieses Jahres tatsächlich sehen was das Jahr 2007 wirklich bringen wird. Ich habe jetzt noch zwei Sendungshinweise: Sie hören am nächsten Dienstag, 9. Jänner, bereits ab 20.00 eine Sendung von Freak Radio, ein Gespräch mit dem Universitätsprofessor Dr. Friedrich Oswald über sein Leben, über Individualisierung im Unterricht, Kreativität, Begabung und Behinderung. Nächste Woche hören Sie an dieser Stelle wieder eine Magazinsendung. Dann wie gewohnt am Sonntag und Dienstag ab 20.30.
Ich bedanke mich heute bei Andreas Karlberger für die technische Unterstützung. Im Namen des gesamten Freak Radio Teams verabschiedet sich Gerhard Wagner.

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