Inhalt:
.Was wird das neue Sachwaltergesetz ändern?
Freak-Radio stellt in dieser Sendung Menschen mit Sachwaltern in den Mittelpunkt:
Da haben manche Sachwalter hunderte Klienten, da wird ein Familiengrab, das einer Frau ihr Leben lang wichtig war und ist, von ihrem Sachwalter einfach nicht mehr verlängert.
Da werden nahe Angehörige von Richtern und Sachwaltern links liegen gelassen; da wird viel Geld auf Sparbücher und anderswo angelegt, während die »besachwalteten« Menschen nicht das bekommen, was sie im Alltag brauchen. Aber durch angelegtes Geld wird die Prämie für die Sachwalter verbessert und sie können mehr abkassieren...
Sind diese Vorwürfe berechtigt? Wird in Österreich zu schnell »besachwaltet« und Menschen entmündigt? Wird es weiterhin Sachwalter mit hunderten Klienten geben? Wie gehen Richter und Sachwalter mit Angehörigen um? Was wird das neue Gesetz ändern?
Diese Fragen stellt Gerhard Wagner der Vorsitzenden des Vereins »Behindertenombudsmann« Gerda Ressl und Vertretern aus Politik und Jurisprudenz (Dr. Michael Stormann aus dem Justizministerium und Frau Dr. Monika Vislocyl vom Verein für Sachwalterschaft).
SIGNATION - Freak-Radio
Freak-Radio-Moderator, Gerhard Wagner: Sonntag 20.30, willkommen bei Freak-Radio. Am Mikrophon begrüßt Sie Gerhard Wagner zu einer Sendung aus dem ORF-KulturCafe: Was wird das neue Sachwaltergesetz ändern?
Freak-Radio hat schon einmal eine Sendung zum Thema Sachwalterschaft gemacht. Damals wurde urgiert, dass es nur wenige Kontrollmöglichkeiten für Angehörige gibt, dass das Vermö-gen so mündelsicher verwaltet wird, dass die Menschen, um die sich die Sachwalter kümmern sollen, kaum etwas zum Leben bekommen. Wir haben auch gehört, dass es Sachwalter mit bis zu 1000 Klienten gibt - und etliche, die weit über 100 haben. Wie soll da eine persönliche Be-treuung, so wurde gefragt, noch möglich sein?
Frau Gerda Ressl vom Verein Behindertenombudsmann, Sie waren damals bereits zu Gast, was hat sich seitdem verändert?
Gerda Ressl: Die Leute sind mündiger geworden, sie sind hellhöriger geworden. Sie versuchen, zu ihren Rechten zu kommen. Aber grundlegend geändert hat sich seither nichts.
Freak-Radio-Moderator: Jetzt ist aber ein neuer Gesetzesentwurf zum Sachwaltergesetz in Be-gutachtung.
Ich begrüße daher Herrn Dr. Michael Stormann aus dem Justizministerium. Wir haben gerade davon gesprochen, dass manche Sachwalter an den Menschen vorbei sparen. Ich habe da ein Zitat aus den 90er-Jahren von Ihnen gefunden: Was für den neunzehnjährigen Minder-jährigen ein erstrebenswertes Ziel ist, nämlich sein Vermögen so zu verwalten, dass er mit möglichst viel in die Volljährigkeit entlassen wird, führt bei alten Menschen dazu, dass sie mit einem hohen Vermögensstand in den Tod entlassen werden. Hat sich daran etwas geändert oder wird das Gesetz daran etwas ändern?
Dr. Michael Stormann: Das Gesetz soll daran sehr viel ändern. Es ist zwar eine kleine Änderung durch das Kindschaftsrechts-Änderungs-Gesetz 2001 eingetreten, das das Recht der Vermö-gensverwaltung für Minderjährige, das ja analog auch für Erwachsene gilt, die unter Sachwalter-schaft stehen. Die Rechtslage wurde dadurch etwas modifiziert und weniger die Anhäufung des Vermögens in den Vordergrund stellt. Aber das war nur ein erster Schritt.
Man muss natürlich bei der Vermögensverwaltung für Erwachsene völlig andere Grundsätze wählen, und daher ist die Reform des Sachwalterrechts unbedingt nötig. Ich stehe nach wie vor zu dem Satz, den ich damals gesagt habe, der sagt eigentlich in aller Härte, wie die gesetzlichen Regelungen aussehen. Dass sie freilich durch die Gerichte anders angewandt werden können, das ist klar. Das geschieht auch in vielen Fällen - aber in manchen Fällen gilt das halt leider nicht - und dann gibt es natürlich Schwierigkeiten - und die sollen beseitigt werden.
Freak-Radio-Moderator: Vielleicht dass wir an dieser Stelle festhalten: Ein Gesetz kann gut sein, ein Gesetz kann weniger gut sein, aber es gibt eben auch Leute, die diese Gesetz ausführen, aber an diesen Leuten, ihren Gewohnheiten und Einstellungen kann man natürlich weniger än-dern als an den Rahmenbedingungen, den Strukturen und den Gesetzen.
Ich möchte jetzt als dritten Gast Frau Dr. Monika Vyslocil vom Verein für Sachwalterschaft be-grüßen und möchte sie fragen, was die Aufgabe des Vereins ist. Erzählen Sie uns bitte, was der so macht?
Dr. Monika Vyslouzil: Es gibt vier Vereine in ganz Österreich. Der Verein für Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung, den ich hier repräsentiere, ist der größte davon in Österreich. Wir haben 140 hauptberufliche Sachwalter und 700 ehrenamtliche Sachwalter und Sachwalterinnen. Bei uns ist es so, dass ein hauptberuflicher Sachwalter im Schnitt 25 Sachwal-terschaften führt und daneben noch 15-20 ehrenamtliche SachwalterInnen anleitet. Wir haben im professionellen Bereich Sozialarbeiter, Psychologen, Soziologen und Juristen beschäftigt, die auch in schwierigen Fällen Unterstützung durch Konsulenten bekommen und man kann sagen: Bei uns sind die
Sachwalterschaften angesiedelt, wo es die größten sozialen Probleme gibt, wo aufgrund der schwieriger familiärer Konstellationen Angehörige die Sachwalterschaft nicht übernehmen kön-nen.
Freak-Radio-Moderator: Vielleicht können wir uns an dieser Stelle überlegen und uns anschau-en: Wer kann denn eine Sachwalterschaft überhaupt ausüben und wer übt sie auch aus? Sie haben jetzt eine Reihe von Leuten genannt, von Sozialarbeitern, Juristen usw.: Von den Gerich-ten werden auch öfters Rechtsanwälte bestellt, manchmal auch Notare, soweit ich weiß, und dann besteht auch die Möglichkeit, dass auch aus dem Familienverband auch bestellt wird . Ja, Herr Stormann...
Dr. Michael Stormann: Das Gesetz gibt hier eine ziemlich deutliche Vorgabe: Also, es sagt, zu-nächst sind, wenn es möglich ist, nahe Angehörige zu bestellen. Nun, das geschieht natürlich in den Fällen, wo jüngere Menschen, die noch Angehörige haben, von einer psychischen Krankheit gefallen sind, oder wenn geistig behinderte Jugendliche die Volljährigkeit erlangen, da funktio-niert das recht gut. Bei alten Menschen - besonders alte Frauen sind da gefährdet - ist bereits ein derartiger Grad an Vereinsamung gegeben, dass nahe Angehörige schwer gefunden werden können, aber auch da versuchen wir im Gesetz einen neuen Weg zu gehen und vielleicht kann Frau Vyslocil dann ausführen, wie das näher aussieht, da möchte ich mich etwas zurückneh-men.
Aber die zweite Vorgabe ist, wenn es erforderlich ist, hat das Gericht einen Vereinssachwalter zu bestellen, der eben jene Qualifikationen aufweist, die Frau Vyslocil dargestellt hat. Aber von diesen Vereinssachwaltern, die ja vom Staat zu zahlen sind, gibt es relativ wenige. Die Fähigkeit des Staates, hier zu zahlen, ist sehr gering. Diese Gruppe von Sachwaltern ist eigentlich die kleinste unter allen. Man muss sich bitte vorstellen, dass wir eine sehr große Zahl von Menschen überhaupt unter Sachwalterschaft haben. Die Zählungen gehen etwa bis 50.000. Man muss sich vorstellen: Die Bürger von St. Pölten, damit man sich diese Menge einmal vor das geistige Auge holt, vom Baby bis zum Greis im Altersheim stehen alle unter Sachwalterschaft: Dann hat man ungefähr ein Bild, wie Sachwalterschaft in Österreich ausschaut. Und für diese Personenmenge müssen Sachwalter auftreiben werden.
Es ist natürlich notwendig, für bestimmte Personengruppen Experten zu nehmen. Personen, die rechtliche Probleme haben, die brauchen natürlich einen Rechtsanwalt, die brauchen vielleicht auch einen Notar. Aber die Gerichte sind, weil die Vereinssachwalterschaft zu wenig von Mitglie-dern der Bundesregierung gefördert wurden, auf diese Rechtsberufe ausgewichen - vom Ge-danken her, dass die ja verpflichtet sind, das Amt eines Sachwalters zu besorgen und sich nicht effektiv weigern können.
Also, es ist sicher nicht ein rechtloser Zustand, aber es ist ein unbefriedigender Zustand, weil natürlich jetzt Rechtsanwälte und Notare Fälle betreuen, die eher eine sozialarbeiterische Kom-ponente haben, und vom Verein für Sachwalterschaft betreut gehören...
Freak-Radio-Moderator: Vielleicht noch ein anderes Problem, das ich auch schon aus Ihrer Wortmeldungen heraus gehört habe. Könnte man eigentlich sagen, Frau Vyslocil, es gibt zu viele Besachwaltungen?
Dr. Monika Vyslouzil: Es gibt zu viele Besachwaltungen, das ist richtig. Wir haben derzeit ein Projekt laufen, das heißt CLEARING, das sollte auch, wenn dieses Gesetz kommt, als Ver-einsaufgabe verankert werden, wo wir im Vorfeld, nämlich bei der Anregerberatung schon aktiv werden und wo sich gezeigt hat, dass in ganz vielen Fällen eigentlich bei genauer Betrachtung der Situation auch andere Lösungen gefunden werden können, d.h. eine Sachwalterschaft durchaus vermeidbar wäre. Ich glaube, hier müsste man ansetzen.
Das andere ist, auch wenn man sich das genauer anschaut, und das war ja der Ursprungsge-danke des Sachwalterrechts, nämlich die Autonomie der betroffenen Person möglichst zu belas-sen oder zu stärken. Dass man hier, wenn man sich es genau anschaut, einschränken kann auf einzelne Angelegenheiten oder einen Kreis und nicht automatisch für alles bestellt. Die Möglich-keit, dass Angehörige stärker einbezogen können, die ergibt sich auch, wenn der Verein zum Beispiel beratend oder schulend, unterstützend hier tätig werden kann. Denn was wir auch fest-gestellt haben, ist dass viele Angehörige auch ein bisschen Angst haben, diese Verantwortung zu übernehmen, weil sie sich nicht gut genug auskennen. Wenn sie hier stärker unterstützt wer-den, sind sie viel eher bereit, sich auf eine Sachwalterschaft einzulassen.
Freak-Radio-Moderator: Das heißt also, Angehörige, die vielleicht vorgesehen wären für eine Sachwalterschaft, die brauchen natürlich auch eine bestimmte Beratung, damit sie sich über-haupt zurecht finden: Was ist denn das Wesen? Was sind meine Aufgaben?
Dr. Monika Vyslouzil: So ist es, ja.
Freak-Radio-Moderator: Frau Ressl, sie haben die ganze Zeit jetzt genickt, wie es darum ge-gangen ist, dass es zu viele Sachwalter gibt. Wie ist denn da ihr Zugang dazu?
Gerda Ressl: Ja, auch für uns gibt es zu viele Sachwalterschaften, und das Problem ist: Wie kann man diese Sachwalterschaften, die zur Zeit eigentlich nicht notwendig sind, wie kann man die rückführen? Für mich ist es ein Problem, wenn ein Anwalt über 1000 Sachwalterschaften hat, die Leute nicht wirklich betreuen kann, die nicht persönlich kennt, die nur auf dem Papier betreut werden in finanziellen Angelegenheiten, und sonst keinerlei Unterstützung bekommen. Und da sollte man auch eine Möglichkeit finden - vielleicht mit dem Verein für Sachwalterschaft - dass man sich diese Fälle anschaut. Ich bin überzeugt, da gibt es viele Personen, die man wie-der in eine normales Leben rückführen kann.
Freak-Radio-Moderator: Sie haben jetzt einige Fälle gesammelt, bei denen es mit der Sachwal-terschaft einige Zeit nicht so gut gegangen ist, dann hat man eine Lösung gefunden - können Sie den Zuhörern vielleicht ein praktisches Beispiel erzählen?
Gerda Ressl: Es waren durch die Bank sehr mühsame Rückführungen: Wenn einmal jemand in den Fängen eines Rechtsanwalts ist, dann ist es sehr schwer, ihn wieder herauszubekommen. Nachdem die Angehörigen auch nicht wissen... Man müsste als Angehöriger fast ein Rechtsstu-dium haben, um sich wehren zu können.
Den Angehörigen werden die Türen zu geschlagen - und es stimmt, sie sind zu wenig unter-richtet und ich erhoffe mir wirklich über den Verein für Sachwalterschaft echte Unterstützung und wirkliche Möglichkeiten für solche Sachwalterschaften, die eigentlich nicht notwendig sind. Denn wenn ich durch die Straßen gehe und wenn ich an diese drei Fälle, die wir jetzt zurückge-führt haben, denke, dann finde ich zehn auf dem Weg bis zum Karlsplatz, die ich besachwalten müsste.
Wenn ein Mensch nach einem Schlaganfall einen Sachwalter braucht: Es gibt durchaus Fälle, wo es berechtigt ist, aber der Mensch muss auch die Chance haben, wieder herauszukommen. Nur: Bei einer Besachwaltung, die nur auf dem Papier stattfindet, wo der menschliche Kontakt fehlt, wird das nicht stattfinden. Und wenn ich diesem Menschen beispielsweise sage...
Der erste Schritt der Sachwalter ist, sofort das Vermögen festzustellen, die Finanzen kalt zu stellen, und was mir aufgefallen ist, was ganz erschreckend ist: Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich bin bei meiner Bank Kunde seit 40 Jahren, habe dort meine Konten, habe nach einem Schlag-anfall, einem Unfall oder nach irgend einem gesundheitlichen Vorfall einen Sachwalter, komme dann zu meiner Bank und bin plötzlich nichts mehr. Ich bin dort eine Nullperson. Ich kann mir nicht einmal mehr ein Extrakonto eröffnen.
Freak-Radio-Moderator: Was passiert dann mit dem Geld?
Gerda Ressl: Die Konten werden von den Sachwaltern übertragen. Anfangs haben wir ge-glaubt, sie übertragen das Geld auf ihre Hausbank, um als Großkunde fungieren zu können. Dem ist aber scheinbar nicht so, denn wenn dieses Konto, also wenn ich jetzt mein Konto bei der Hausbank des Sachwalters habe, dann überträgt er es trotzdem auf eine andere Bank, also muss der Grund ein anderer sein. Wir vermuten, dass der Grund der ist, dass ich als besach-waltete Person absolut keinen Zugang mehr zu meinen Konten habe und auch nicht mehr nach-vollziehen kann, was mit meinem Geld passiert.
Ich habe beispielsweise einen alten Herrn. Den fragt der Pflegschaftsrichter: »Ja, wie viel Ver-mögen haben Sie denn?«
Der bekommt aber nichts anderes als einen Zettel in die Hand, auf dem ein Anfangssaldo steht, die Ausgaben und ein Endbetrag. Und das soll dann sein Vermögen sein? Der weiß aber, er hat Sparbücher gehabt usw. Ja, dann schwimmen die Leute. Für ältere Leute ist es ganz furchtbar, wenn sie als Unperson bei der Bank behandelt werden. Ich habe zum Beispiel eine Sachwalterin aufgefordert, sie möge so lieb sein und dem Betroffenen, das ist ein 75-jähriger Mann, eine Be-stätigung auszustellen, dass er bei der Bank ein Konto eröffnen darf und dass er sein monatli-ches Geld bei der Bank abhebt - wie ein normaler Mensch! Das ist erst nach dem dritten Anlauf gelungen - und erst nachdem ich mit ihm hingegangen bin!
Freak-Radio-Moderator: Ich glaube, da sollten wir für die Zuhörer auch noch einiges sagen: Es ist ja auch die Aufgabe mancher Sachwalter, eben wenn das Vermögen auch besachwaltet ist, sich darum zu kümmern, es zu verwalten - im Sinne des Betroffenen. In vielen Fällen gibt es ein Taschengeld. Sie, glaube ich, Frau Ressl, haben einmal bemängelt, dass das zu wenig ist?
Gerda Ressl: Ich habe einen Fall, da musste eine Frau, die eine Pension von 2.200 Euro hat - sie hatte zum Leben ein Jahr lang monatlich lediglich 200 Euro. Da soll man mir vormachen, wie man damit leben kann! Der Sachwalter hat nicht ein einziges Mal geschaut, wie diese Frau lebt, das war für ihn völlig uninteressant. Nach dem Sachwalterwechsel hat er wohl seine Rechnung an das Pflegschaftsgericht gestellt, hat auch sein Honorar verlangt. Angedroht wurde ihr, sie muss es innerhalb von 14 Tagen zahlen - unter Androhung der Exekution, allerdings ist ihr Ver-mögen noch nicht überwiesen!
Ich frage mich, wie diese Dame oder ihre neue Sachwalterin diesen Betrag zahlen soll. Also, wir werden uns das sicher genau anschauen, denn so kann es ja wohl nicht sein!
Freak-Radio-Moderator: Frau Vyslocil:
Dr. Monika Vyslouzil: Also, wir sehen in dem neuen Gesetzesentwurf schon sehr viele Verbesse-rungen! Was hier angesprochen wurde, nämlich dass der Sachwalter gar nicht den persönlichen Kontakt gepflegt hat: Da wäre im Entwurf drinnen, dass monatlich ein persönlicher Kontakt ge-pflegt werden muss, ich glaube, da kann schon viel weniger passieren. Was für uns als Vereins-sachwalter sowieso selbstverständlich ist, nämlich dass wir das Geld den Wünschen und Be-dürfnissen der betroffenen Person einsetzen, also nicht ansparen, dass es immer mehr wird, sondern das, was das Leben dieser Person lebenswerter macht, auch ankaufen. Da steht jetzt auch im Gesetzesentwurf drinnen, dass eben die Wünsche der Person herauszufinden sind und dem auch zu entsprechen, und nicht nur das Vermögen zu vermehren.
Freak-Radio-Moderator: Da hätte ich noch eine Nachfrage. Ich habe von einem Fall bei einer älteren Dame der Sachwalter das langjährige Familiengrab sofort aufgelöst hat. Ich nehme an, das wären Sachen, die würden Sie wahrscheinlich nicht machen?
Dr. Monika Vyslouzil: Nein, auch wenn es wenig Geld gibt: Wenn es der Person ein Anliegen ist, sozusagen ihre Sterbeversicherung weiterzubezahlen, dann tun wir alles, um das zu gewährlei-sten.
Publikumsstatement: Ist nicht der Fehler deshalb, weil der Sachwalter fünf Prozent vom Ver-mögen bekommt? Durch mehr Vermögen bekommt er wieder mehr Geld - und die Betroffenen werden sehr kurz gehalten. Ist da nicht schon im System der Fehler? Ich könnte ja sagen, es gibt einen Fixbetrag für die Sachwalterschaft, unabhängig vom Vermögen - damit wäre schon ein anderer Zugang vom Sachwalter her.
Freak-Radio-Moderator: Ich glaube, das hat ja im Zuge der Verhandlungen die Behinderten-sprecherin des BZÖ, Dr. Partik-Pable gefordert, diesen Fixbetrag, den man den Sachwaltern gibt. Herr Dr. Stormann, was sagen Sie dazu?
Dr. Michael Stormann: Ich glaube, man muss das etwas vorsichtiger sehen: Das alte Recht der Belohnung sah vor, dass der Sachwalter oder der Kurator oder der Vormund eines minderjähri-gen Kindes einen Prozentanteil der Früchte des Vermögens bekommt. Sie müssen sich vorstel-len: Vorschriften aus dem Jahr 1811!
Man hat ja damals kaum daran geglaubt, dass man durch seiner Hände oder seines Kopfes Ar-beit Geld verdienen kann, man hat ja damals nur geglaubt, man kann durch Vermögen einen Vermögenszuwachs erzielen. So ist also das Belohnungsrecht des Allgemein Bürgerlichen Ge-setzbuches aufgebaut gewesen. Schon im Kindschaftschaftsänderungsgesetz wurde der Versuch unternommen, eine Umsatzbeteiligung des Sachwalters oder des Kurators herbeizuführen, weil gerade dadurch ein Anreiz entsteht, Geld auszugeben! Nicht sinnlos auszugeben, aber das Geld für die vertretende Person auszugeben!
Und was auch ein Problem ist: Es wird hier immer wieder gesagt: Das sei passiert und das sei nicht nötig - und da machen die Gerichte das! Bitte: Man muss sich schon vor Augen halten, dass der Staat dafür haftbar ist, wenn ein Sachwalter nicht bestellt wird. Und man muss sich auch im Klaren sein, dass der Staat dafür haftbar gemacht wird, wenn ein Sachwalter vom Ge-richt zu wenig beaufsichtigt wird, gerade in der Frage der Sicherung des Vermögens.
Ich sage ihnen jetzt eines der Extrembeispiele, das glücklicherweise abgewehrt worden ist und das auch nicht mein Zugang ist, dass man das so macht. Es ist tatsächlich vorgekommen, dass Kinder einen Schadenersatzanspruch gegen die Republik Österreich geltend gemacht haben, weil der Sachwalter vom Gericht nicht daran gehindert wurde, einen Fernsehapparat für den alten Vater zu kaufen.
Das sind dann halt Zugänge, die eine gewisse Vorsicht der Gerichte auslösen, es ist auch sehr viel von einem Richter oder einer Richterin verlangt, eine Sachwalterschaft aufzuheben mit ei-nem Zweifel, denn hier ist für den Richter durchaus die Möglichkeit gegeben, dass der Staat zur Haftung herangezogen wird, und der Richter persönlich für seine Sorgfaltsverletzung haftet und Regress zahlen muss. Das muss man vorsichtiger sehen, aber man muss natürlich im Gesetz einmal schauen, dass man die Voraussetzungen für die Sachwalterbestellung zurückfährt, dann wird auch diese Sachwalterkonstellation schwieriger. Und ich glaube, da kann man sehr darüber diskutieren, welches Belohnungs- Entschädigungssystem für den Sachwalter das bessere ist. Der absolute Fixbetrag ist in der Regel für den Besachwalteten unsozial, wenn ein geringes Vermö-gen vorhanden ist. Die Umsatzbeteiligung kommt mit gefühlsmäßig am besten vor, weil sie doch dazu führt, dass Ausgaben für die vertretene Person gemacht werden. Aber bitte, da gilt eine der Grundsätze der Legistik: Das wird man unter Umständen ausprobieren müssen. Wir haben bei sehr vielen Gesetzen zunächst einen kleinen Schritt getan, haben diesen Schritt dann evalu-iert, und anhand der Schlüsse, die wir daraus gezogen haben, den nächsten Gesetzesschritt gemacht. Das ist, glaube ich, auch ein ganz ein wichtiger Punkt: Man kann es hier nicht so ma-chen, dass man sagt: Ich bin überzeugt, das ist die optimale Lösung, sondern man kann nur sagen: Das scheint die optimale Lösung und hier machen wir einen Schritt. Und wenn sich der Schritt bewährt, machen wir einen nächsten Schritt. Man kann, glaube ich, nicht sofort einen Großschritt machen, denn das wäre dann der Versuch an hundert Prozent der Betroffenen - und da muss man als Gesetzgeber sehr vorsichtig sein.
Freak-Radio-Moderator: Ich glaube, der Herr aus dem Publikum ist nicht ganz einverstanden - und ich möchte dann die Musik einspielen.
Publikumsstatement: Also ich möchte schon sagen, dass mir diese Ausführungen nicht wirklich nachvollziehbar sind, die sie hier getätigt haben - sehr lang zwar, aber es kommt mir so vor, dass Sie die Klientel der Sachwalter vertreten, die Vermögen anhäufen, und der, der besach-waltet wird, eigentlich am Hungertuch nagt.
Diesen Eindruck habe ich jetzt von ihren Ausführungen.
Musik Eminem
Freak-Radio-Moderator: Sie hören Freak-Radio auf MW 1476 diesmal zum Thema: » Was wird das neue Sachwaltergesetz ändern?«
Herr Dr. Stormann, Sie sind angesprochen worden und sie werden vielleicht darauf noch etwas sagen wollen:
Dr. Michael Stormann: Naja, also ich glaube, wenn der Eindruck entstanden ist, dass ich haben möchte, dass die Sachwalter recht gut verdienen, dass wahrscheinlich auch mein Eingangszitat nicht richtig gesehen worden ist.
Ich glaube eigentlich, dass ich seit gut mehr als drei Jahrzehnten damit beschäftigt bin, einmal sicherzustellen, dass möglichst wenige Sachwalter bestellt werden, dass die Betroffenen gut vertreten werden und dass sich die Sachwalter dabei nicht fett verdienen. Also, wenn ich das so sehe, arbeite ich dreißig Jahre daran, und wenn mir jemand jetzt sagt, er unterstellt mir das Gegenteil, dann habe ich irgendwie ein sehr schlechtes Gefühl dabei.
Mein Vorsatz war, hier den Eindruck zu vernichten, dass sich etwas mit einem großen Schritt radikal bewirken lässt. Wer daran glaubt, dass ein Gesetz mit einem großen Klatsch eine Super-wirkung erzielt, der sollte, glaube ich, da nicht mitreden. Das Problem ist, dass man immer nur kleine Schritte machen kann und dass man einen Schritt mit der gebotenen Vorsicht setzen muss. Denn ein unvorsichtig gemachter Schritt führt unter anderem zum Schaden für die Be-troffenen!
Und mein Vorschlag ist, dass wir einmal sehen: Bewährt sich das vom Gesetz vorgeschlagene neue Recht der Entschädigung für die Sachwalter, dann kann man eventuell in die Richtung weiterdenken. Wenn es sich nicht bewährt, dann muss man hier wieder Modifikationen machen. Das ist ja heute in der Gesetzgebung das große Problem, dass sich die Gesellschaft weiterent-wickelt, dass man immer Anreize setzen muss in die richtige Richtung - dass man aber nicht sagen kann, es gibt ein Patentrezept!
Freak-Radio-Moderator: Können Sie vielleicht ein paar Punkte sagen, die wir noch nicht ange-sprochen haben, was sich im neuen Sachwalterrecht noch ändern wird?
Dr. Michael Stormann: Also, ich glaube einer der ganz wichtigen Punkte ist, dass wir insgesamt daran gehen, die Sachwalterschaften zahlenmäßig geringer ausfallen zu lassen.
Da ist zunächst einmal die Frage der Vorsorgevollmacht: sicher für einen kleineren Kreis, aber man soll die Möglichkeit haben, jemanden aus seinem Bekanntenkreis auszuwählen und zu sa-gen: Wenn ich einmal in einem psychisch eingeschränkten Zustand bin, dann soll der mich ver-treten! Das unterläuft die Sachwalterschaft, gibt wesentlich mehr Autonomie: Man sucht sich seinen Sachwalter selbst: Das schafft Vertrauen.
Das nächste ist, dass der Entwurf etwas vorschlägt, was durchaus gewagt war, und was in Deutschland abgelehnt wurde, aber in Österreich auf große Zustimmung gestoßen ist, nämlich die Vertretung durch nahe Angehörige: Nahe Angehörige sollen unter bestimmten Vorausset-zungen - Eintritt der entsprechenden geistigen Einschränkungen und Einhaltung bestimmter Formalitäten wie etwa allenfalls Registrierung bei einem Notar - ihre nahen Angehörigen in ein-facheren Angelegenheiten vertreten können - etwa auch bei medizinischen Behandlungen: Und das, glaube ich, kommt der österreichischen Bevölkerung in ihrem Wunsch sehr stark entgegen. Die Angehörigen sind ja oft sehr bemüht um ihre geistig beschränkten Angehörigen, und sie müssen oft den Umweg über die Sachwalterschaft gehen: Das wird dadurch vermieden.
Diejenigen, die mitwirken wollen, sind dann, wenn das Gesetz gemacht wird, auch aufgerufen, das auch zu machen. Das vermeidet die Sachwalterschaft, das vermeidet den staatlichen Ein-griff, und ich glaube, dass das sehr viel bringt.
Und dann gibt es noch einen weiteren Punkt, den Frau Vyslocil schon angeschnitten hat: Den Teil CLEARING: Die Sachwaltervereine prüfen zunächst einmal, ob es nicht andere Wege gibt, und außerdem sind sie dem Gericht behilflich bei der Suche nach Angehörigen.
Freak-Radio-Moderator: Wir haben leider nur noch zwei Minuten, und die möchte ich nutzen, dass jeder von ihnen noch ein Schluss-Statement sagen kann, Frau Ressl:
Gerda Ressl: Also ich halte diese vorgesehenen Lösungen für sehr sinnvoll, da wird sich sehr viel ändern. Was mir noch ein Anliegen ist: Die Richter zu bitten: Sie haben eine gewisse Macht - und Machtausübung ohne Menschlichkeit ist Gewalt, wirklich eine Bitte an alle Richter, es gibt wunderbare Richter, aber die arbeiten mit Menschlichkeit. Das ist etwas, was das Ganze dann noch abrunden wird.
Freak-Radio-Moderator: Frau :Dr. Monika Vyslouzil:
Dr. Monika Vyslouzil: Aus Sicht der Vereine begrüßen wir ganz besonders die Stärkung der Auto-nomie der Betroffenen durch die Möglichkeiten, die vorgesehen werden, wie schon erwähnt: Vorsorgevollmacht aber auch Sachwalterverfügung, so dass die betroffene Person im Vorfeld sagen kann, wer sie vertreten soll.
Und aus Sicht der Vereine, wie ebenso erwähnt, die Aufgaben, im Vorfeld das Gericht zu unter-stützen, ist sehr wesentlich im neuen Gesetz. Allerdings wird das nur dann funktionieren, wenn wir die entsprechenden Ressourcen bekommen. Und da hoffen wird, dass der Finanzminister die Menschlichkeit genauso hochhält, wie das Justizministerium.
Freak-Radio-Moderator: Herzlichen Dank für die Diskussion! In zwei Tagen, am Dienstag, dem 11.4. hören Sie die Wiederholung dieser Sendung schon um 20.00 und um 20.30 gibt es eine Sendung über Pferdetherapie von Susanne Traunwieser. Nächsten Sonntag hören Sie wieder eine Magazinsendung bei Freak-Radio, wie immer am Sonntag und Dienstag ab 20.30.
Ich darf mich herzlich von Ihnen verabschieden: Guten Abend.
Musik, die schon im Hintergrund zu hören war, wird kurz eingeblendet und endet, danach:
29´00":
WAG-Trailer
Freak-Radio is powered by WAG - Wiener AssistenzGenossenschaft.
29´05":
Freak-Homepagetrailer neu -> im Ordner Ö1 international
Wenn Sie diese Sendung auch hören wollen:
freak-radio.at/mp3/20060409%20Sachwaltergesetz.mp3