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Werden gehörlose Studierende an der PH diskriminiert?
Freak-Radio hat bereits 2007 ebenso wie der damalige Sozialminister Buchinger (jetzt Behindertenanwalt) und wie der Behindertensprecher Franz Josef Huainigg auf diskriminierende Bestimmungen in einer Verordnung des Unterrichtsministeriums aufmerksam gemacht. Nun ist es bereits zu ersten Schlichtungsverfahren gekommen.
Gerhard Wagner hat für Freak-Online mit Lukas Huber vom Österreichischen Gehörlosenbund folgendes Interview geführt.
Dieses Interview gibt es auch in Gebärdensprache. Der Österreichische Gehörlosenverband hat es in Gebärdensprache übersetzt und ein Video davon ins Internet gestellt. —› Zum Video
Freak-Online: Sie haben vor kurzem jemanden in einem Schlichtungsverfahren gegen das Unterrichtsministerium und eine Wiener Pädagogische Hochschule unterstützt. Ging es da um Begriffe wie "stimmliche Eignung" oder "körperlich-motorische Eignung"?
Lukas Huber: Ja. Es geht um die Verordnung des BMUKK bezüglich der Studienberechtigung für Studien an Pädagogischen Hochschulen (laut Hochschul-Zulassungsverordnung - HZV, BGBL vom 15.5.2007, 112), durch die behinderte Menschen vom Studium an Pädagogischen Hochschulen ausgeschlossen werden: vgl. §§ 3 und 5, in denen von einer für den Lehrberuf erforderlichen Sprech- und Stimmleistung, sowie einer musikalisch-rhythmischen und einer körperlich-motorischen Eignung gesprochen wird.
Freak-Online: Können Sie uns in ein paar Sätzen beschreiben, wie die Bewerbung und Ablehnung abgelaufen ist?
Lukas Huber: Es fing damit an, dass März 2009 eine Integrationslehrerin, selbst hörend (sie unterrichtet gehörlose und hörende Kinder in einer Unterstufenklasse an einem Gymnasium in Wien) an das Bildungsministerium herangetreten war. Bei einer Veranstaltung des BMUKK, wo die Zulassung von gehörlosen Menschen für das Lehramt auf den pädagogischen Hochschulen das Thema war, meinte die Vertreterin Fr. Mag. Bauer: Es solle einmal eine gehörlose Person ein Präzedenzfall vollziehen, dann würde sich vielleicht gesetzlich etwas verändern. Vor dieser Situation gestellt, mussten wir also eine gehörlose Person finden, die diese Ablehnung einklagt.
Es wären auch gehörlose Jugendliche in Frage gekommen, welche z.B. eine Kindergartenpädagogische Hochschule nicht besuchen dürfen, da sich der Grund der Ablehnung meist auf die musikalischen und sprechtechnische Fähigkeiten stützt - so wie auf der Pädagogischen Hochschule.
Im Unterrichtsministerium sprach die Integrationslehrerin weiters auch bilinguale Modelle an: Österreichische Gebärdensprache als Unterrichtssprache und Deutsch als Zweitsprache für gehörlose Schulkinder. Dafür fehlen eben die Lehrkräfte, nämlich gehörlose wie auch hörende LehrerInnen mit Gebärdensprachkompetenz.
Es fehlt einfach hinten und vorne: Für das Schuljahr 2010 wird für eine bilinguale Klasse eine gehörlose Lehrer/in in Wien gesucht. Fürs kommende Jahr wünscht die Integrationslehrerin, wenn sich einige gehörlose Personen auf der PH für ein Lehramt - auch für das Volksschullehramt(!) - entscheiden und einschreiben lassen werden, um das genaue Vorgehen beobachten zu können. In diesem Fall hat der Österreichische Gehörlosenbund eine rechtliche Unterstützung zugesagt.
Dann habe ich die gehörlose Studentin - von der ich erfahren habe dass sie abgelehnt wurde - kontaktiert und auf das Schlichtungsverfahren vorbereitet. Wobei noch zu sagen ist, dass die PH Wien den Ablehnungsbescheid bereits einige Monate vorher ausgestellt hatte.
Die Schlichtungswerberin gibt an, dass sie am 17.9.2008 an der PH Wien die Zulassung als ordentlich Studierende zum Bachelorstudium zur Erlangung des Lehramtes für Hauptschulen mit den Fächern "Mathematik" und "Bewegung und Sport" beantragte.
Die Schlichtungswerberin nahm an allen Teilen der Eignungsfeststellungen gemäß HZV teil, und zwar an den speziellen Eignungsfestellungen - Überprüfung der deutschen Sprache in Schrift am 26.6.2008, Überprüfung der Sprech- und Stimmleistung sowie der Kenntnis der deutschen Sprache in Wort am 11.9.2008 und Überprüfung der körperlich-motorischen Eignung am 11.9.2008.
Mit Bescheid vom 2.2.2009 ist der Antrag auf Zulassung abgewiesen worden. Begründet wurde die Abweisung der Schlichtungswerberin damit, dass die zur Erlangung des Lehramtes an Hauptschulen erforderliche Eignung (Beherrschung der deutschen Sprache in Schrift, Sprech- und Stimmleistung) in ihrem Fall nicht vorliege.
Freak-Online: In einer Freak-Radio-Sendung hat die zuständige Referentin im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur davon gesprochen, dass die Studienkommission "Studierenden mit einer Behinderung durch ein modifiziertes Curriculum (modifizierte Prüfungsmethoden)" die Aufnahmeprüfung so gestalten können, dass daraus kein Nachteil durch die Behinderung entstehe. Sind Ihnen solche modifizierte Curricula bei den Aufnahmsprüfungen bekannt?
Lukas Huber: Das ist mir nicht bekannt. Ist das auch für Pädagogische Hochschulen geplant?
Freak-Online: Ja, Frau Bauer bezog sich explizit auf die PHs.
Das Schlichtungsverfahren ist nun gescheitert. Warum konnten die PH und das BMUKK nicht von einer Diskriminierung überzeugt werden?
Lukas Huber: Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens forderte die Schlichtungswerberin für die durch Diskriminierung erlittene persönliche Beeinträchtigung die Zahlung eines angemessenen immateriellen Schadenersatz und ein Entschuldigungsschreiben.
Die zuständige Person von PH Wien gab an, dass sie befolgen muss, was in der Hochschulzulassungsverordnung steht. Sie könne diese Bestimmungen nicht übergehen und eine anderslautende Entscheidung herbeiführen, weil die PH unter der Aufsicht des BMUKK steht. Sie teilte auch mit, dass das Rektorenrat ein Gutachten erstellen hat lassen. Laut Gutachten sei es vorstellbar, dass die Schlichtungswerberin als gehörlose Lehrerin gehörlose Kinder in Gebärdensprache unterrichten kann; aber doch nicht unterrichten kann, weil sie nicht per Lautsprache in Wort kommunizieren kann (internationale Beispiele belegen, dass gehörlose Lehrer-/innen sehr wohl befähigt sind, selbständig im Rahmen eines bilingualen Schulunterrichts gehörlose Schulkinder unterrichten können).
Die Vertrauenspersonen der Schlichtungswerberin gaben ihre Statements ab, u.a. dass eine mittelbare Diskriminierung nach dem § 7a Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) vorliegt und dass Österreich dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beigetreten ist und es 2008 ratifiziert hat. Damit verpflichtet sich die Republik Österreich, dem Ziel der BRK Art. 24 (inklusive Bildung) Rechnung zu tragen, außerdem hat sie sich in Art. 24 Abs. 4 BRK verpflichtet, qualifizierte Lehrkräfte einschließlich gehörlose Lehrkräfte, die in Gebärdensprache ausgebildet sind, einzustellen. Das Abkommen fordert, dass Bildung frei von Diskriminierung sein soll und chancengleiches Recht auf Bildung gewährleistet wird.
Die Person vom BMUKK weigert sich, in der HZV eine Diskriminierung zu erkennen. Sie bietet lediglich an, Kontakt mit der legistischen Abteilung des BMUKK zu herstellen. Auf die Anfrage einer Vertrauensperson, ob sie bereits wisse, dass Bundesministerin Schmied erhöhten Bedarf nach gebärdensprachkompetenten Lehrkräften festgestellt hatte, konnte sie ihre Verwunderung nicht verbergen und teilte mit, davon nicht zu wissen.
Das Schlichtungsverfahren war gescheitert, weil die PH Wien und das BMUKK nicht bereit waren, die Forderungen der Schlichtungswerberin zu erfüllen.
Freak-Online: Wird es eine Klage geben oder welche weiteren Schritte sind geplant?
Lukas Huber: Es kommt zu keiner Beschwerde beim VwGH, weil die Schlichtungswerberin gegen den Bescheid keine Berufung an die Studienkommission innerhalb zwei Wochen erhoben hat, somit ist diese unanfechtbar geworden. Die Schlichtungswerberin gab an, sie hätte eine Berufung bestimmt dann eingelegt, wenn sie vorher gut informiert gewesen wäre, dass man sich beschweren muss, um etwas bewirken zu können. Unabhängig davon ist eine Schlichtung immer noch möglich.
Der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) wird das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sich an das Büro des Unabhängigen Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wenden. Der ÖGLB wird ein Zivilgesellschaftsbericht für den UN-Menschenrechtsrat in Genf verfassen, wo auch der aktuelle Diskriminierungsfall kommentiert wird.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.