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Rubrik: Freak-MP3
01. Dezember 2020

Wiener Vorstadttheater - Interview mit Manfred Michalke

von Nina Ebner

Einmal den Mephisto im Burgtheater oder den Jedermann bei den Salzburger Festspielen geben: Viele angehende Schauspieler*innen träumen von den großen Rollen. Doch nicht immer entscheidet das Talent: Menschen ohne Behinderungen sind von der Ausbildung bis in den Profibereich klar im Vorteil. Doch woran liegt das? Darüber sprechen wir mit dem Direktor des Wiener Vorstadttheaters, Manfred Michalke.

Der Regisseur und Theaterdirektor Manfred Michalke steht auf einer Bühne neben einer jungen Frau, die eine offene weiße Mappe in der Hand hält. Sie haben Augenkontakt.

Direktor und Regisseur Manfred Michalke steht auch mal selbst auf der Bühne des WVT.

Manfred Michalke und ein junger Mann mit Bart sind gemeinsam auf einer Bühne und lachen.

10 Monate wird vom Workshop bis zur Aufführung geprobt.

Pressebild aus der 2019-Produktion "Einer flog über das Kuckucksnest". Auf der Bühne sitzt ein glatzköpfiger Herr, der einen Besen in der Hand hält und nach oben blickt. Neben ihm der Regisseur Michalke.

"Einer flog über das Kuckucksnest", 2019

Pressebild aus der aktuellen Produktion zu Tennessee Williams: Zwei Personen sind auf der Bühne, zwischen ihnen ein Konstrukt, auf dem balanciert wird.

Balanceakt auf der Theaterbühne bei "2x Tennessee Williams", 2020

Um diese Sendung zu hören, klicken Sie hier!

Manfred Michalke ist Direktor und Regisseur am Wiener Vorstadttheater, das in  den frühen 90er Jahren als integratives Theater gegründet wurde. In einer zehnmonatigen Probenphase wird jährlich ein Stück erarbeitet, das von Menschen umgesetzt wird, „die üblicherweise vom professionellen Kulturbetrieb ausgeschlossen sind“, heißt es auf der Homepage. Dazu zählt Michalke etwa Menschen mit Ein- bzw. Mehrfachbehinderungen und Menschen mit Fluchterfahrungen. Ausgeschlossen sind sie, weil viele Theater noch nicht erkannt haben, welcher Mehrwert in einem diversen Ensemble steckt. Genau das bemerkt Michalke in seinen Inszenierungen: Unterschiedliche körperliche oder kognitive Voraussetzungen und sprachliche Differenzen erscheinen als Pluspunkt, wenn nur richtig mit ihnen umgegangen werde, so Michalke. Das Theater hat damit die Möglichkeit, näher am echten Leben zu sein, realistischer zu werden, sagt der ursprünglich im Musiktheater beheimatete Gründer. Der Schlüssel ist das Verständnis für die individuellen Ausgangssituationen, nicht aber im Sinne von Mitleid, das ist in einem Theaterbetrieb, wie ihn das Wiener Vorstadttheater versteht, fehl am Platz.

"Verkleiden ist Kasperltheater"

Die Proben des Wiener Vorstadttheaters in der Volkshochschule Ottakring haben in der Anfangsphase workshopartigen Charakter und sind offen für Neulinge. Viele Darsteller*innen spielen schon seit Jahren mit – diese Schauspieler*innen sind nicht mehr als Laien zu verstehen, betont Michalke. Viele bringen auch die Möglichkeiten mit, beruflich Theater zu spielen. Doch man muss ehrlich sein: Der Theaterbetrieb ist nicht frei von Diskriminierungen, vor allem nicht hinsichtlich Behinderungen. Zuerst gilt es die Hürde der Ausbildung zu nehmen, die Menschen mit Behinderungen kaum berücksichtigt. Schon steht man vor dem nächsten Problem: Viele Schauspieler*innen mit Behinderungen werden primär für Rollen gecastet, bei denen eine Behinderung im Drehbuch angelegt ist – und das sind wenige. Hinzu kommt die Strategie des Disability Drag bzw. Cripping Up, bei der nicht-behinderte Schauspieler*innen Figuren verkörpern, die eine Behinderung haben. So geschehen etwa auf der Berliner Schaubühne 2015, wo der Schauspieler Lars Eidinger mit falschem Buckel und Pappklumpfuß als König Lear auf die Bühne trat. Dieses „Verkleiden“ nennt Michalke „Kasperltheater“. Das Spielen von physischer Andersartigkeit dürfte es in diesem Ausmaß gar nicht geben. In dieser Beziehung müsste einfach anders gecastet werden, bekräftigt er.

Es gibt viel zu tun

Aktuell gibt es im deutschsprachigen Stadt- und Staatstheaterbetrieb nur ein einziges Haus, das körperlich behinderte Schauspieler*innen im Ensemble hat, das Staatstheater Darmstadt. Eine verpflichtende Quote für Schauspieler*innen mit Behinderungen in den Theaterhäusern wäre für Michalke denkbar und wichtig, um die noch immer greifenden Ausschlussmechanismen in den Theatern abzulösen. Das ganze Rad - den Theaterbetrieb - neu zu erfinden, wäre nicht notwendig, Michalke fordert aber eine Öffnung der Theaterlandschaft hinsichtlich inklusiver Zugänge.

Welche Ideen sofort umgesetzt werden könnten, welche Erfahrungen er bereits bei Gastspielen mit seinem Ensemble gemacht hat und wie seine Arbeit als Regisseur in einem bunt gemischten Team aussieht, hat er im Interview mit der Freak-Radio-Redaktion verraten. Das Interview, gespickt mit heiteren Anekdoten aus dem Backstage-Bereich und wie im Lampenfieber aus dem „geehrten Herzog“ doch mal der „deppate Herzog“ wurde, ist hier und auf Youtube nachzuhören.

Alle Informationen zum Wiener Vorstadttheater sowie Bild- und Videomaterial zu vergangenen wie aktuellen Produktionen finden Sie hier: https://www.wienervorstadttheater.com/.


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