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Rubrik: Lesen statt Hören
27. Juli 2008

Wir unternehmen was!

von Eva Binder

Behinderte Menschen erobern die Wirtschaft. Haben Sie auch schon davon geträumt, Ihr eigener Chef zu werden? Freak-Radio stellt Menschen vor, die es geschafft haben, ihre Träume zu realisieren. Trotz oder gerade wegen ihrer Behinderung.

Arbeitsplatz

Bild: Pixelio

Haben Sie auch schon davon geträumt, Ihr eigener Chef zu werden? Freak-Radio stellt Menschen vor, die es geschafft haben, ihre Träume zu realisieren. Trotz oder gerade wegen ihrer Behinderung. Informationen über Förderungsmöglichkeiten und Beihilfen für jene, die sich selbstständig machen wollen, runden die Sendung ab.

Sprecher: Cornelia Krebs und Chris Egger
Sendungsverantwortung: Christoph Dirnbacher, Chris Egger und Julia Wolkerstorfer
Transkription: Eva Binder

Signation Freak-Radio

Klaus Tolliner, Unternehmensberater: Ich habe schon mit 16 Flugblätter hinter Autoscheiben getan, oder die Romanhefte von meine Mutter verscherbelt, also ich habe immer irgendetwas gehabt, wo ich zu meinem Geld gekommen bin. Und irgendwo dürfte das schon in meiner Wiege gelegen sein, ich weiß es nicht.

Martin Meyer, Klavierstimmer: Ich hatte einen Blindenstock mit einem Deckel drauf. Den Deckel habe ich einmal verloren, und das hat mich auf die Idee gebracht, dass man nach diesem Prinzip auch ein richtiges Instrument machen könnte. Und ja, jetzt gibt es diese Panalotosflöten. Die werden jetzt serienmäßig hergestellt.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Die Künstlerin oder der Künstler, auch in meinem Fall, verkauft im Grunde sich selbst, um es mal jetzt hart zu formulieren. Weil mein Körper - das was ich bin - ist ja auch das Material. Und es ist ein bisschen schwerer, sich selbst zu verkaufen, als einen Gegenstand.

Chris Egger, Sprecher: Haben Sie auch schon einmal daran gedacht, sich selbstständig zu machen? Mehr als 30.000 Jungunternehmer haben im Jahr 2007 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Damit setzt sich der Aufwärtstrend der letzten Jahre fort. Was motiviert Menschen dazu, sich selbstständig zu machen? Reichtum auf kürzestem Weg? Unabhängigkeit? Der Drang nach Selbstverwirklichung? Wiegt das einen fixen Arbeitsplatz mit zwölf Gehältern, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie bezahlten Überstunden auf? Christoph Dirnbacher, Chris Egger und Julia Wolkerstorfer haben mit drei Selbstständigen gesprochen, die den Traum von der eigenen Firma verwirklicht haben.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Hinterhofgarage gemietet, Telefon angemeldet, Visitenkarten gedruckt - los geht's! Mehr braucht es doch nicht, um eine Firma zu gründen. Oder? Christian Wodon ist Leiter des Gründerservice der WKÖ, der Wirtschaftskammer Österreich. Der Experte freut sich über die stetig steigende Zahl an Firmengründungen.

Christian Wodon, WKÖ: Es gilt eigentlich ein paar wesentliche zentrale Fragen bei jeder Gründung zu klären. Was ist meine Geschäftsidee? Sind bestimmte Rechtsvorschriften, z.B. die Gewerbeordnung, zu beachten? Welche Rechtsform ist für mich am zweckmäßigsten? Wie schaut es aus mit den Kosten, wie Sozialversicherung und Steuern? Und gibt es Förderungen? Diese Fragen sind die wesentlichsten, die immer, und eigentlich von jeder Person, die sich an uns wendet, herangetragen werden.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Klaus Tolliner ist seit seinem Unfall vor 23 Jahren dreifach amputiert. Ihm fehlen beide Unterschenkel und der linke Oberarm. Dennoch macht er die Matura und studiert Werkstoffwissenschaften an der Montanuniversität in Leoben. Nach dem Studium entscheidet er sich für die Privatwirtschaft. Doch die Tätigkeit als leitender Angestellter im Bereich Logistik ist nicht ganz das Richtige für ihn. Seit 2006 arbeitet er als selbstständiger Unternehmensberater.

Klaus Tolliner, Unternehmensberater: Ich kann jetzt nur von meiner Seite sprechen, also ich habe meine Strategie so gewählt, dass ich versucht habe, mich mit meinen Ausbildungen relativ breit aufzustellen. Dass ich relativ universell einsetzbar bin. Das war an und für sich meine Strategie. Jetzt nachwirkend als Unternehmensberater ist es natürlich gut, dass ich ein breites, fundiertes Wissen habe. Das ist mir auf alle Fälle zugute gekommen.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Martin Meyer arbeitet selbstständig als Klavierstimmer. Er ist von Geburt an blind und verfügt über ein absolutes Gehör. Entdeckt hat er dies während seiner Schulzeit im Blindengymnasium in Marburg. Diese Begabung ist seiner Meinung nach reiner Zufall und habe nichts mit seiner Blindheit zu tun. Sein außergewöhnliches Talent hat Martin Meyer auch geholfen, sich die Fähigkeiten eines Klavierstimmers in Rekordzeit anzueignen. Der in Zürich lebende Martin Meyer kann auf mehr als 30 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Ihn fasziniert nicht nur die akustische Präzisionsarbeit am Klavier, sondern auch die Menschen, mit denen er dadurch in Berührung kommt.

Martin Meyer, Klavierstimmer: Das Schöne am Stimmen sind eigentlich die Begegnungen mit Menschen. Aber das Stimmen selber wird dann doch mal zur Routine. Es kann schon Spaß machen, wenn man gute Instrumente vor sich hat, ganz klar. Oder es ist auch eine Herausforderung, wenn man ein relativ schlechtes Instrument hat und doch noch zeigen kann, was möglich ist, wenn man es sehr schön stimmt. Was man da noch 'rausbekommt aus dem Instrument. Das ist ganz spannend, ja.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Die Performancekünstlerin Elisabeth Löffler träumt schon als Kind davon auf der Bühne zu stehen. Da sie Rollstuhlbenutzerin ist, wollen Eltern und Lehrer sie lieber im Büro sehen. Nach absolvierter Handelsschule und anschließender Matura arbeitet Elisabeth Löffler zunächst als Bibliothekarin. Später berät sie Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung bei der Berufswahl. Doch der Traum vom Tanzen hat sie nie ganz losgelassen.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Dazugekommen bin ich eigentlich durch Zufall. Mit 26 habe ich meinen ersten Tanzworkshop in Köln gemacht, bei Alito Alessi, und hab' gedacht, das wird halt ein bisschen ein Hobby und eine gute Abwechslung. Und nach dieser Woche hab' ich mir gedacht, das muss ich tun, ich muss tanzen, ich muss Performance machen.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Egal ob Unternehmensberater, Klavierstimmer oder Performancekünstlerin - alle müssen früher oder später von ihrer Tätigkeit leben können. Christian Wodon warnt dennoch vor allzu viel Blauäugigkeit. Übertriebene Euphorie könne gefährlich werden.

Christian Wodon, WKÖ: Man muss bereit sein zu planen. Der größte Fehler, der passiert, ist, dass man überhastet gründet. Weil die formellen Fragestellungen oft gar nicht die schwierigen sind. Und der wichtigste Punkt ist, dass man bereit ist, einige Fragen, die natürlich auch mit der persönlichen Lebenssituation, der persönlichen wirtschaftlichen Situation zusammenhängen, dass man die auch bereit ist, vernünftig zu planen. Und darin liegt die größte Schwierigkeit. Wenn jemand jedoch sich entsprechend Zeit nimmt, dann gibt es für die meisten Fragestellungen Antworten, die dann zum Erfolg führen. Das zeigt auch die sehr hohe Überlebensrate von allen die gründen in Österreich.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Statistische Untersuchungen zeigen, dass das dritte Jahr für Unternehmen am Schwierigsten ist. Die Unternehmen werden bereits mit voller Steuerleistung belastet, haben die Anfangsschwierigkeiten aber oft noch nicht überwunden. Dennoch existieren nach Untersuchungen des Kreditschutzverbandes nach fünf Jahren noch 50 bis 60 Prozent der neu gegründeten Betriebe.

Klaus Tolliner, Unternehmensberater: An und für sich war der Weg ein sehr einfacher. Also sowohl die Einreichung für das Gewerbe war problemlos. Die Wirtschaftskammer hat das alles vorbereitet, ich habe das bei der BH (Bezirkshauptmannschaft) abgegeben und dann glaube ich einmal noch etwas nachreichen müssen, und damit war der Fall erledigt. Also es ist wirklich überraschender Weise sehr glatt gegangen.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Nachdem er sein Studium abgebrochen hat, steht für Martin Meyer zunächst das Geldverdienen im Vordergrund. Meyer lässt sich zum Klavierstimmer ausbilden. Anschließend wagt er den Schritt in Richtung selbstständige Tätigkeit.

Martin Meyer, Klavierstimmer: Ja, ich wollte eigentlich über meine Zeit selber verfügen können. Ich finde das immer schön, wenn man eine direkte Kundenbeziehung hat, die nicht vermittelt ist durch ein Geschäft. Also ich hätte mir eine Anstellung schon vorstellen können, wenn die Arbeit besonders interessant gewesen wäre.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Als Klavierstimmer reist er nun schon seit Jahren in der ganzen Schweiz herum und hat dabei auch manch Kurioses erlebt. So hat man ihn einmal in einer Fabrikshalle vergessen. Für Martin Meyer ist die Arbeit mehr als nur bloßer Broterwerb.

Martin Meyer, Klavierstimmer: Selbstständige Arbeit bedeutet für mich Selbstverwirklichung und Bestätigung. Dass man etwas leisten kann in dieser Gesellschaft.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Für Elisabeth Löffler ist die Arbeit auf der Bühne ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens geworden. Die Kunst lässt sie nicht mehr los. Gemeinsam mit anderen gründet sie das integrative Künstlerprojekt "Bilderwerfer". Die Proben und Aufführungen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Elisabeth Löffler hat ihren Beraterinnenjob aufgegeben, um ihre ganze Kraft und Energie in ihre künstlerische Tätigkeit einfließen zu lassen. Nach zwölf Jahren kommt das Aus. Unüberwindbare künstlerische Differenzen behindern die Arbeit der Gruppe. Auch Förderquellen drohen langsam zu versiegen. Die Ausnahmekünstlerin ist gezwungen, sich neu zu orientieren.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Der Beweggrund war eigentlich, dass es nicht anders möglich war, außer über die Selbstständigkeit. Ich war vorher bei der Gruppe "Bilderwerfer", und da hatte ich es sogar geschafft, dass ich dort angestellt war. Aufgrund der politischen und kulturpolitischen Situation war das aber nicht mehr finanzierbar. Es gab dann nur mehr die Möglichkeit, sozusagen wieder ins Büro zu gehen und einen "normalen" Job zu machen. Also es war eher ein Muss, dass ich mich zuerst einmal selbstständig machen musste, weil es die einzige Form war, wo ich als Künstlerin weiter offiziell arbeiten konnte. Weil am Arbeitsamt hatten sie mir trotz zehn Jahren Berufserfahrung im Kunstbereich gesagt: Künstlerin sein ist kein Beruf, das ist ein 40-Stunden-Job, gehen Sie wieder ins Büro. Und eigentlich war das für mich die Ansage, also ins Büro gehe ich ganz bestimmt nicht, da mache ich mich lieber selbstständig.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Basis für eine langfristig erfolgreiche Existenz ist eine sorgfältige Planung. Wirtschaftskammerexperte Christian Wodon erinnert sich an Beratungen, bei denen sich der Gründungsprozess über mehrere Jahre hingezogen hat.

Christian Wodon, WKÖ: Also es gibt Fälle, wo man innerhalb von einer halben Stunde alles Wesentliche abgeklärt hat. Aber genauso muss man auch berücksichtigen, dass es viele Fragen gibt, die nicht sofort beantwortbar sind. Denken wir etwa an Fragen, die etwas mit Kalkulation zu tun haben, wo man bestimmte Recherchen tätigen muss. Und hier kommt es dann immer wieder dazu, dass verschiedene Stellen angelaufen werden müssen, dass man verschiedenste Aspekte bei unterschiedlichen Stellen auch klären muss. Daher ist es problematisch, einen Durchschnitt anzugeben. Jeder Gründungsfall ist nach wie vor ein Einzelfall.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Auch Klaus Tolliner hat klein angefangen. Der Fotograf, der auf nächtlicher Motivsuche verunglückt ist, gibt nicht auf. Er will seinen Lehrabschluss. Bei einem Porträtworkshop lernt er seine Frau Barbara kennen und lieben. Nachdem seine Pläne, sich als Werbefotograf selbstständig zu machen, scheitern, konzentriert er sich auf sein Studium und geht anschließend in die Privatwirtschaft. Berufsbegleitend absolviert er einen Universitätslehrgang mit Wirtschaftsschwerpunkt. Das dort Erlernte kann Tolliner sofort praktisch umsetzen. Er berät seine Frau auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit.

Klaus Tolliner, Unternehmensberater: Das war eine totale Win-Win-Situation. Ich habe auf der einen Seite sofort das Erlernte ausprobieren können, und meine Frau hat es eben auch für die Selbstständigkeit gebraucht. Da ist wieder das alte Feuer, selbstständig zu werden, in mir immer mehr aufgekommen. Ich habe dann noch einige Bewerbungsgespräche geführt - sehr interessant z.B. bei einem Prozessmanager, da war ich in der letzten Runde. Es ist aber für mich innerlich schon festgestanden, dass ich mich gerne selbstständig machen möchte und das auch tun werde. Ich habe mir gedacht, in dem Alter, in dem ich bin, kann man unter Umständen noch einmal - falls man es nicht schafft - zurückgehen in einen herkömmlichen Beruf.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Tolliner kündigt seine Stelle als leitender Logistiker und wagt den Schritt in die Selbständigkeit. Es macht ihm Freude, andere auf ihrem Weg zu begleiten. Am meisten reizen ihn die Dinge, die unmöglich erscheinen. Auch Martin Meyer ist ein leidenschaftlicher Tüftler. Eines Tages verliert er den Deckel seines Blindenstocks. So entdeckt er durch Zufall, dass sich der Taststock auch als Musikinstrument eignet. Durch Hineinblasen in den Stock werden Töne erzeugt, deren Höhe sich nach Belieben verändern lässt - ähnlich wie bei einer Zugposaune.

Martin Meyer, Klavierstimmer: Der Stock war natürlich eigentlich zu lange und auch nicht dicht genug. Da musste man immer entweder hineinspucken oder etwa Wasser hineinschütten, damit es geklungen hat, damit es dicht genug war. Und dann haben wir halt mal überlegt, wie man das machen könnte, wenn man das als richtiges Instrument baut. Und ja, jetzt gibt es diese Panalotosflöten. Die werden jetzt serienmäßig hergestellt.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Gemeinsam mit der Behindertenwerkstätte Rorschach perfektioniert er seine Flöte. Als Basis dient ein Alu-Teleskopstock mit Holzgriff, der kürzer ist als der ursprüngliche Taststock. Zudem wird das Instrument mit Dichtungsringen versehen, die durch Luftzug gesteuert werden. Mittlerweile hat der Erfinder mehrere 100 Exemplare seiner Panalotosflöte verkauft.

Musikzuspielung: Klang der Panalotosflöte

Cornelia Krebs, Sprecherin: Martin Mayer verkauft mit seiner Panalotosflöte ein Produkt. Das Kapital von Elisabeth Löffler ist hingegen ihre Ausdrucksfähigkeit als Künstlerin - ihre Mimik, ihre Gestik und ihre Bewegung. Die Künstlerin liebt es, sich außerhalb gewohnter Normen zu bewegen. Auch wenn die Tanzform "Kontaktimprovisation" heißt, bekommt ihr Publikum eine perfekt inszenierte Show.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Ja, Sie könnten mich beobachten, wie ich auf einen VW-Bus auf's Dach klettere, angezogen mit einer Motorradmontur, blutüberströmt mit Theaterblut, und dort bei der Windschutzscheibe ganz langsam wieder herunter rutsche. Und dann ungefähr 10 Minuten unter dem VW-Bus liege, der total demoliert ist. Und die Leute von außen glauben, dass ich tot bin. Oder ein Rugby-Crash, wobei wir uns einfach nur immer gegenseitig 'reinfahren und der, der härter fährt und schneller fährt, die Punkte bekommt. Wobei man wissen muss, dass man mit einem Rugby-Rollstuhl einfach nicht schnell fahren kann.

Musikzuspielung: Klang der Panalotosflöte

Cornelia Krebs, Sprecherin: Selbstständig sein hat finanziell gesehen nicht nur Vorteile.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Naja, ich bin mir jetzt nicht sicher, weil ich keine Händlerin bin, ich kann nur von den KünsterInnen reden, dass das Hauptproblem ist - als sog. "Neue Selbstständige", dass du ja das vorfinanzieren musst. Die ganzen Versicherungen und so weiter. Bevor du noch weißt, ob du überhaupt Angebote bekommst. Also da ist für mich der hauptsächliche Knackpunkt. Und Kunst ist ja etwas, das oft als Luxus empfunden wird. Ein Luxus, den man sich leistet, wenn einem sonst langweilig ist oder wenn man sonst nichts zu tun hat. Also so im Sinne von Anerkennung und Achtung auch in der Gesellschaft hat man es schon schwerer natürlich, als wenn man ein Händler ist und, ich weiß es nicht, das supertollste Handy verkauft - oder etwas, das halt mehr "hipp" ist. Also so gesehen hat man es schwerer, weil man etwas verkauft, was oft als Luxus gesehen wird und nicht als Notwendigkeit.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Ganz ohne Förderungen geht es also nicht. Österreich bietet jungen, erfolgshungrigen Unternehmern eine Reihe von Unterstützungen. Die Experten der Wirtschaftskammer informieren über verschiedene Fördermodelle, zum Beispiel ERP. Dieser 1962 gegründete Fonds - das European Recovery Program - zielt vor allem darauf ab, Innovation und Wachstum zu fördern. Die Zuschüsse des ERP dienen der Förderung von regionalen Projekten. Sie kommen vorwiegend Klein- und Mittelbetrieben zugute. Auch die Förderbank des Bundes, die "Austria Wirtschaftsservice", bemüht sich um Jungunternehmer. Jeder müsse das Passende für sich und sein Unternehmen finden, meint Christian Wodon.

Christian Wodon, WKÖ: Genauso unterschiedlich wie Handicaps oder Behinderungen sind natürlich auch personenbezogene Unterstützungen oder Förderungen. Nicht uninteressant ist, ab einem gewissen Behinderungsprozentsatz bei der gewerblichen Sozialversicherung, der Verzicht der Sozialversicherung auf Selbstbehalte. Das bedeutet, dass ein Gewerbetreibender, der behindert ist, genauso den Arzt besuchen kann, wie ein ASVG-Angestellter, also ohne Eigenbehalt. Zweitens: Es gibt seitens des Bundessozialamtes mittlerweile in allen Bundesländern seit 1.6. ein sogenanntes Unternehmerservice, wo einerseits Einrichtungen gefördert werden für Unternehmen, die Behinderte einstellen, aber zum anderen auch für behinderte Unternehmer Förderungen sind, um ihren Arbeitsplatz zu ermöglichen. Je nachdem, welcher Tätigkeit diese Person nachgeht.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Auch das Bundessozialamt fördert also die berufliche Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderung. Entschließt sich ein behinderter Mensch, eine selbstständige berufliche Zukunft aufzubauen, können dafür Beihilfen gewährt werden. Voraussetzung dafür ist unter anderem die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes durch die Unternehmenstätigkeit. Auch gewerberechtlich sollte alles abgeklärt sein, denn der Antrag muss vor Unternehmensgründung gestellt werden. Bei Unternehmern mit Behinderung ist der in den letzten Jahren stark wachsende Dienstleistungssektor beliebt.

Christian Wodon, WKÖ: Wenn ich im Dienstleistungsbereich selbstständig werde, werde ich naturgemäß geringere Investitionen haben, als wenn ich beispielsweise eine Tischlerei eröffne. Das heißt Investitionsförderungen kommen in dem Fall wesentlich weniger bis gar nicht zum Tragen. Sie sind aber auch nicht notwendig. Und genau dieser Punkt ist ein sehr wichtiger, dass man nämlich sehen muss, dass diese öffentlichen Gelder darauf abzielen, dass es hier eine Notwendigkeit an beispielsweise Investitionen gibt. Und im Dienstleistungsbereich ist es zumeist so, dass man es hier mit weniger Startkapital und damit zwangsläufig auch mit weniger Problemen bei der Kapitalaufbringung zu tun hat.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Investitionsförderungen sind wichtig. Sie haben aber nicht mehr dieselbe Bedeutung wie noch vor wenigen Jahren, meint Christian Wodon. Laut Wirtschaftskammer sind rund ein Drittel der Neugründungen der Consulting-Branche zuzuordnen, weitere 30 Prozent entfallen jeweils auf Handwerk und Gewerbe. Jeder zehnte Jungunternehmer bewegt sich in der Tourismusbranche. Vier von zehn Neugründern sind Frauen. Welche Bedeutung haben Förderungen für angehende Unternehmer?

Christian Wodon, WKÖ: Offensichtlich für die, die selbstständig werden wollen, eine sehr große, weil die meisten Fragen beginnen genau mit diesem Thema Förderungen. In Wirklichkeit sind Förderungen eine Hilfe, die in bestimmten schwierigen Konstellationen helfen können, aber sie sind letztendlich nicht das alleinig Entscheidende. Was man aber in jedem Falle beachten sollte, ist, dass es viele Unterstützungen gibt, die man in Anspruch nehmen kann, wenn man sich rechtzeitig, also frühzeitig, darum kümmert. Ich darf hier insbesondere erwähnen das Neugründungsförderungsgesetz, wo man sich Gebühren für die Selbstständigkeit erspart. Ich erwähne die Einstiegsregelungen bei der Sozialversicherung, wo man weniger Sozialversicherung zu zahlen hat in den ersten Jahren. Und ich erwähne eine ganze Latte an Förderungen, die schlicht und einfach helfen, sich leichter bei der Finanzierung des Projektes zu tun.

Cornelia Krebs, Sprecherin: In den letzten Jahren hat es für Jungunternehmer einige Erleichterungen gegeben. So berechnet die Sozialversicherung in den ersten Jahren einen Fixbetrag, was die Kalkulation erleichtert. Dennoch meint Unternehmensberater Klaus Tolliner, dass es im Förderwesen noch viel zu tun gäbe. Er kritisiert vor allem die fehlgeleitete Förderpolitik im Behindertenbereich. Klaus Tolliner findet es gefährlich, Leistungen zunächst kostenlos anzubieten - denn Gewinnmachen sei bei Projekten im Sozialbereich zwar nicht verboten, aber sinnlos. Einnahmen müssen an den Geldgeber zurückgeben werden. Das führe dazu, dass einzelne Projekte wieder in der Schublade verschwinden, weil es nach Projektende keine Finanzierung mehr gebe. Es werden daher wieder neue Projekte eingereicht, um so die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter zu gewährleisten. Für Klaus Tolliner sollten die angebotenen Dienstleistungen - und nicht nur Projekte - direkt gefördert werden. Projektträgern solle es auch ermöglicht werden, während des Projektes Gewinne zu erwirtschaften um re-investieren und damit langfristig überleben zu können.

Klaus Tolliner, Unternehmensberater: Es ist egal ob ich jetzt ein Projekt, bei dem wir über Millionenbeträge reden, begleite, oder ob es jemanden gibt, der Blattläuse streichelt. Oder ob ich Projekte im Behindertenbereich mache. Es ist immer Dienstleistung, und Dienstleistung - das sagt schon der Namen - das ist eine Leistung, die auch bezahlt werden muss.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Klaus Tolliner hat die Initiative "Ecobility" ins Leben gerufen. Der Arbeitskreis in der Wirtschaftskammer Steiermark setzt sich für eine barrierefreie Wirtschaft ein. Künftig möchte Klaus Tolliner eine solche Expertengruppe österreichweit etablieren. Elisabeth Löffler wünscht sich mehr öffentliches Interesse für künstlerische Projekte. Dies müsse sich auch finanziell bemerkbar machen. Würdigungspreise und Ehrungen machen Mut, aber sie füllen den Kühlschrank nur kurzfristig.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Förderungen sind sehr wichtig, also sie sind eigentlich essenziell, und da liegt auch das Problem: ohne Förderungen geht es nicht. Das heißt, de facto lebt man - überhaupt am Anfang - von Ersparnissen, und wenn man Glück hat, nach zwei Jahren auch von dem, was man verdient.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Immer mehr Menschen träumen davon, sich selbstständig zu machen. Die Angst vor einer weltweiten Wirtschaftskrise bremst die Euphorie. Was bleibt ist der Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. In den letzten drei Jahren gab es etwa 90.000 Neugründungen. Wirtschaftskammerexperte Christian Wodon blickt daher positiv in die Zukunft.

Christian Wodon, WKÖ: Also wir müssen uns ja vergleichen mit ähnlichen Volkswirtschaften. Und dort hat Österreich einfach einen echten Nachholbedarf. Wir haben hier sehr niedrige Prozentsätze im Vergleich zu anderen Ländern. Und diesen Aufholprozess, der jetzt schon seit einigen Jahren läuft, dieser wird auch weiter gehen. Und auch die entsprechenden Erfahrungen - auch in anderen Ländern - zeigen, dass diese Entwicklung auch an uns nicht spurlos vorüber gehen wird.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Martin Meyer hat den Gründungsprozess schon lange hinter sich. Was würde er besser machen, wenn er die Chance hätte, noch einmal von vorne anzufangen?

Martin Meyer, Klavierstimmer: Wenn ich an mein vergangenes Berufsleben zurückdenke, dann denke ich, habe ich viel Schönes erlebt. Wenn ich es noch mal machen würde, noch mal anfangen würde, würde ich mich vielleicht doch noch gründlicher im Handwerklichen, also im Mechanischen, noch ausbilden, damit ich da mehr Selbstständigkeit hätte. Jetzt war ich doch oft auch, bei Reparaturen und Revisionen, auf Mitarbeiter angewiesen. Und da wäre vielleicht noch einiges möglich gewesen, wenn man das systematischer angepackt hätte. Obwohl ich glaube, mir liegt schon das Stimmen am ehesten von all diesen Arbeiten, die mit der Klavierbauerei zu tun haben. Da liegt mir das Stimmen schon am meisten, das ist klar.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Elisabeth Löffler möchte künftig unbedingt weiter als Künstlerin arbeiten. Sie hat schon drei Soloprojekte auf die Beine gestellt und dabei erlebt, wie anstrengend es ist, für alles allein verantwortlich zu sein. Sie wünscht sich mehr Unterstützung im administrativen Bereich.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Mein großer Wunsch ist, dass ich angefragt werde oder dass sich andere Künstler bei mir melden und wir zusammen Projekte auf die Beine stellen. Und dann gerne im öffentlichen Raum.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Sich selbstständig zu machen kann mühsam, nervenaufreibend, aber auch sehr erfüllend sein. Letztlich geht es selten nur um's Geldverdienen, immer aber darum, das zu machen, wozu man sich berufen fühlt. Einen Unfall, wie Klaus Tolliner ihn 1985 hatte, kann niemand rückgängig machen. Für ihn war dieses Ereignis ein Neubeginn.

Klaus Tolliner, Unternehmensberater: Also die Behinderung hat mir irrsinnig geholfen. Also, man wächst irrsinnig. Das kann dir kein Persönlichkeitstraining bieten. Also wenn du jetzt vor der Himmelspforte stehst nach einem Unfall, also wirklich kämpfst um's Überleben, dann dich über die Rehabilitation zurück ins Leben kämpfst, also da gibt es kein Persönlichkeitstraining, das dir so etwas bieten kann. Und so etwas stärkt dich natürlich irrsinnig und gerade durch die Rehabilitation ist man es gewohnt, sehr viele Rückschläge einstecken zu müssen. Und ich glaube, das ist wichtig, wenn man sich selbstständig macht. Und für die Persönlichkeit, wie gesagt, also ich wäre nicht dort, wo ich heute bin wahrscheinlich.

Elisabeth Löffler, Performancekünstlerin: Ja, also das Schönste ist, dass die Bühne für mich ein geschützter Raum ist. Sonst im Alltag - wenn wir jetzt über das Anschauen reden - bestimmte ich ja nicht, wer mich wie wann wie lange anschaut, im Normalfall. Auf der Bühne bestimme ich, wer mich anschaut, und auch was dieser Mensch - Mann oder Frau - sieht. Und was er sieht. Sozusagen bin ich die, die das auch in der Hand hat, was ich von mir zeige, was ich sehen lasse, und welche Bilder ich zeige. Man muss sagen, ich bin geschützt und habe gleichzeitig sehr viel Macht. Das ist schön.

Martin Meyer, Klavierstimmer: Wenn man eine sehr interessante Arbeit hat, und dabei angestellt ist, z.B. für eine NGO (Non-Governmental-Organization) oder sonst was, das kann auch spannend sein. Wichtig ist, dass man sich nicht einfach als bloßes Rädchen fühlt, sondern dass man das Gefühl hat, man kann sich verwirklichen. Man ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Und dann spielt es eigentlich nicht so eine Rolle, ob man da ganz selbstständig ist, oder ob man da vielleicht doch Lohn bezieht. Wichtig ist die Arbeit.

Cornelia Krebs, Sprecherin: Die Zahl der Gründungen soll in den nächsten Jahren also weiter steigen. Um sich selbstständig zu machen, braucht es eigentlich nicht viel: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und eine vernünftige Planung sind die Basis für wirtschaftlichen Erfolg.

Chris Egger, Sprecher: "Wir unternehmen was!" Eine Sendung über Menschen mit Behinderung in einer selbstständigen Arbeitswelt. Gestaltung: Christoph Dirnbacher, Chris Egger und Julia Wolkerstorfer. Technik: Chris Egger. Sendungscoach: Michael Kerbler. Sprecherin: Cornelia Krebs. Am kommenden Sonntag hören Sie an dieser Stelle eine Sendung zum Thema "Liebe mit Hindernissen". Moderator Carsten Lohr erkundet das Thema "Sex und Behinderung" Die Sendung wird von Radio4You aus Duisburg zur Verfügung gestellt.

Jingle "Best Practice International 2008"

Signation Freak-Radio


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