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Rubrik: Leichter Lesen
18. März 2007

Das Gleichstellungsgesetz

von Franz Hoffmann und Gerhard Wagner

Viele Menschen mit Behinderungen sind im Alltag von vielen Dingen ausgeschlossen. Der Grund ist, dass es immer wieder Barrieren gibt. Das Gleichstellungsgesetz gilt seit 2006 und soll das verändern.

Ein Mann erzählt, dass er einmal ausprobiert hat, in einem Rollstuhl zu fahren. Da hat er gemerkt, wie schwierig das ist. Mit vielen Dingen ist er nicht zurecht gekommen. Sie haben ihn behindert. Solche Barrieren gibt es immer wieder: Etwa Stufen für Rollstuhlfahrer bei Lokalen oder in der Straßenbahn.

Hindernisse im Alltag

Eine Frau im Rollstuhl erzählt, dass sie mit 47 Jahren zum ersten Mal U-Bahn fahren konnte.

Viele wollen, dass es Gleichstellung für behinderte Menschen gibt: Vorurteile sollen beseitigt werden. Benachteiligungen soll es nicht mehr geben.
Selbst bestimmen können Menschen mit Behinderung erst wirklich, wenn sie die gleichen Möglichkeiten haben. Dann können sie im Alltag genauso frei handeln wie alle anderen auch.

Martin Ladstätter vom Verein BIZEPS erklärt, warum ihm Gleichstellung wichtiger ist als Gleichbehandlung. Er gibt als Beispiel: ein Bus mit Stufen. Da werden ja alle gleich behandelt. Denn Stufen gibt es dann ja für alle.
Aber dann sind Menschen im Rollstuhl, oder alte Leute mit Gehhilfe benachteiligt: Denn sie können dann nicht hinein. Gleich gestellt sind sie erst, wenn sie hineinkommen: Also wenn es im Bus keine Stufen gibt - oder wenn sie mit einer Rampe hineinkommen können.

Hansjörg Hofer vom Sozialministerium ist der Meinung, dass sich die Einstellung gegenüber behinderten Menschen verändern soll: Viele Menschen sehen nur das, was behinderte Leute nicht können. Aber die vielen Dinge, die sie sehr wohl können, sehen sie nicht. Und sie sehen auch nicht, dass viele Dinge gehen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dafür braucht man eben ein Gleichstellungsgesetz.

Was ein Gleichstellungsgesetz kann

Auch für den Beruf hat es durch Gesetze Verbesserungen gegeben. Trotzdem sind viele Menschen mit Behinderungen noch nicht ganz zufrieden.
Für Rollstuhlfahrer ist es zum Verzweifeln, wenn sie nur wegen einer Stufe nicht in Geschäfte oder Lokale hinein kommen. Weil eben viele behinderte Menschen so oder anders einen Nachteil haben, soll durch Gesetze dieser Nachteil ausgeglichen werden. Niemand soll benachteiligt werden.
Auch die EU (Europäische Union) setzt sich sehr dafür ein, dass behinderte Menschen die gleichen Rechte haben.
»Nicht ich bin behindert - die Umwelt behindert mich!« sagen viele Menschen mit Behinderungen immer wieder. Oft wird auf sie einfach vergessen und sie haben keinen Platz. So etwas soll mit dem Gleichstellungsgesetz jetzt nicht mehr geben.

Wie können behinderte Menschen jetzt gleichberechtigt leben?

Martin Ladstätter vom Verein BIZEPS sagt: Das Gesetz wirkt so: Wenn ich einen Schaden habe, dann wird mir dieser ersetzt. Aber das Gesetz gilt nicht überall.

Was sollte das Gesetz also verhindern? Etwa dass blinde Menschen nicht über die Straße kommen, weil sie die Ampel nicht sehen. Es gibt aber auch Ampeln, die Tonsignale aussenden. Diese sind auch für blinde Fußgänger brauchbar.
Oder kann Frau Feuerstein etwas tun, wenn sie wegen Stufen nicht in ein Geschäft kommt?

Der Experte Dr.(=Doktor) Hofer aus dem Ministerium: Wenn das kaum etwas kostet, dann muss das jetzt schon gemacht werden.
Große Umbauten müssen erst 2016 erfolgen.

Die Menschen mit Behinderungen können zwar jetzt schon verlangen, dass bestimmte Dinge geändert werden. Aber sie müssen sich selbst darum kümmern. Sie müssen entweder zu Gericht gehen oder zu einer »Schlichtungsstelle«: Diese Schlichtungsstelle ist im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Dort sollen sich behinderte Menschen mit denen einigen, die sie benachteiligen. Das Bundessozialamt vermittelt, also schlichtet. Die Schlichtung ist gratis.

Das Bundessozialamt hat 2006, also im ersten Jahr, 800 Menschen beraten. 92 Schlichtungen hat es gegeben. Davon hat man sich 60 Mal geeinigt. Dietmar Hilbrand vom Bundessozialamt hilft bei diesen Schlichtungen, damit man gemeinsam Lösungen findet.

Auch der Verein BIZEPS tut etwas bei den Schlichtungen: Martin Ladstätter sagt: Behinderte Menschen müssen ihr Recht selbst durchsetzen, aber wir unterstützen sie dabei.

Behinderung und Arbeit

Auch Menschen mit Behinderungen möchten eine Arbeit haben, die sie gut können. Aber nur wenige dürfen wirklich arbeiten.

Wenn jetzt also ein Lehrer eine fertige Ausbildung hat - und wenn man ihm sagt, er kann seinen Beruf nicht ausüben, weil er behindert ist: Dann ist das gegen das Gesetz, sagt Martin Ladstätter vom Verein BIZEPS. Und dann könnte derjenige zu einer Schlichtungsstelle gehen.

Ein Lehrer oder eine Lehrerin können Schadenersatz verlangen, wenn sie keinen Beruf bekommen.

Nachteile im Beruf ausgleichen

Manchmal gibt es sogar Gesetze, die behinderte Menschen ausdrücklich benachteiligen. Das ist jetzt verboten - und diese Gesetze müssen geändert werden. Das dauert seine Zeit.

Viele Menschen fühlen sich benachteiligt, wenn sie wegen ihrer Behinderung nicht eingestellt oder gekündigt werden. »Immerhin die Hälfte der Fälle sind erfolgreich«, sagt Dietmar Hilbrand von der Schlichtungsstelle des Bundessozialamts.

Wenn jemand am Arbeitsplatz wegen seiner Behinderung verspottet wird, auch dann kann man jetzt etwas tun. Vor allem dann, wenn jemand die anderen gegen einen behinderten Arbeitskollegen aufhetzt. Das nennt man Mobbing - und dagegen kann man sich auch wehren und zur Schlichtung gehen.

Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz

Viele Menschen mit Behinderung tun sich schwer zu arbeiten, wenn sie bestimmte Dinge nicht können.
Bernadette Feuerstein berichtet, dass sie Persönliche Assistenz bekommt. Die Assistenten fahren mit ihr zum Büro oder helfen ihr bei der Arbeit:
Sie braucht jemand, der ihr die Türe aufmacht, ihr die Jacke auszieht oder den Computer einschaltet. Dass es die Persönliche Assistenz gibt, macht es für viele erst möglich, dass sie wirklich arbeiten können.

Gilt das Gleichstellungsgesetz auch in den Bundesländern?

Für manche Gesetze sind die Bundesländer zuständig: etwa dass Häuser so gebaut sind, dass auch Rollstuhlfahrer hineinkommen, oder Menschen, die schwer gehen.

Martin Ladstätter von BIZEPS ist damit sehr unzufrieden: Niemand versteht das, dass das im Gleichstellungsgesetz nicht geregelt ist. Aber die Bundesländer wollten nicht, dass das kommt. Von 7 Bundesländern haben sich 2 geweigert, dass es gemeinsame Vorschriften bei Bauten gibt.

Denn jetzt schauen die Vorschriften in jedem Bundesland anders aus.
Hansjörg Hofer vom Sozialministerium bedauert, dass es deshalb für Kindergärten oder Pflichtschulen nicht gilt. Das Ministerium und das Parlament hätte sich das gewünscht. Aber die Bundesländer wollten es nicht.
Bernadette Feuerstein berichtet: Es war für sie sehr schwer, einen Kindergarten für ihre Tochter zu finden. Denn sie möchte dort auch hineinkommen, um bei gemeinsamen Veranstaltungen von Müttern und Kindern dabei zu sein. Auch nach einer Schule sucht sie schon.

Zusammenfassung

Dietmar Hillbrand empfiehlt allen, sich ans Bundessozialamt zu wenden. Die Schlichtungen sind sehr erfolgreich. Es gibt schon Erfolge bei manchen Angelegenheiten, bei denen man erst in ein paar Jahren vor Gericht Erfolg hat.
In Zukunft wird Gleichstellung selbstverständlich sein, hofft Dr. Hofer vom Ministerium. Martin Ladstätter von BIZEPS wünscht sich weitere Verbesserungen: zum Beispiel dass man sich bestimmte Ungerechtigkeiten abstellen kann. Oder dass es keine Barrieren bei Bauten mehr gibt.
Wenn es einmal selbstverständlich ist, einen Tisch zu bestellen. Wenn ich auch mit meinem Rollstuhl ganz selbstverständlich hineinkomme und muss nicht fragen: Dann ist für mich Gleichstellung wahr geworden.

Sendungsverantwortlich: Katharina Zabransky


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