Seitenanfang:

Link zum InhaltLink zum MenüLink zur Suche

Inhalt:

Rubrik: Leichter Lesen
29. April 2010

Die UNO setzt sich für Menschen mit Behinderung auch in Österreich ein

von Franz Hoffmann und Gerhard Wagner

Freak-Radio hat schon im Jänner 2010 über die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen berichtet. Die Vereinten Nationen (=UN, =UNO) haben einen wichtigen Beschluss zur Stärkung der Rechte von behinderten Menschen gemacht.

Zeichnung: Rollstuhlfahrer und

Österreich hat das 2008 beschlossen. Jetzt muss sich der Staat daran halten. Zur Überwachung und Beobachtung (=Monitoring) wurde ein Monitoring-Ausschuss gegründet.
In diesem sind Experten mit und ohne Behinderung. Mit der Vorsitzenden, Marianne Schulze hat Freak-Radio ein Interview (sprich Interwju, =Gespräch) gemacht.

Im April 2010 hat sich der Monitoring-Ausschuss mit Schule und Bildung beschäftigt. Darüber hat Freak-Radio zuerst mit Marianne Schulze gesprochen. 

Schule und Bildung

Die UN-Konvention setzt sich dafür ein, dass behinderte Menschen in allen Bereichen nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil: Sie müssen in allen Bereichen des Lebens beteiligt sein. Diese umfassende Beteiligung nennt man: Inklusion. Daher muss sich das auch auf die Bildung beziehen.  Normale Schulen und getrennte Sonderschulen entsprechen daher nicht dem Konzept der UN-Konvention.

Es darf also keine gesonderten Bildungssysteme geben. Alle Menschen müssen zur Bildung Zugang haben. Diese gemeinsame Erziehung beginnt beim kleinen Kind. Und Lernen dauert das ganze Leben. Es heißt auch: Lebenslanges Lernen.

Dass Menschen ihr ganzes Leben lernen können, ist sehr wichtig. Dies betrifft auch Sport und Freizeit. Und es betrifft auch ein anderes Recht: Menschen mit Lernbehinderungen, die etwas länger brauchen, müssen so viel lernen können, wie sie es brauchen. Denn viele können es dann sehr gut. 

Sonderschule und Integrationsklassen

Seit fast zwanzig Jahren gibt es zwei Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen in Österreich: Entweder gehen sie in die Sonderschule. In dieser werden sie mit eigenen Programmen unterrichtet – anders als die anderen Schülerinnen und Schüler. Oder sie gehen gemeinsam mit allen anderen in eine Integrations-Klasse. Dann haben sie meist eine Unterstützung zusätzlich zur Klassenlehrerin oder zum Klassenlehrer. 

Das sind meist einzelne Versuche, sagt Marianne Schulze. Doch auch wenn die Bemühungen groß sind: Das entspricht nicht der Inklusion. Denn das Schulsystem besteht jetzt im Prinzip aus Trennung. Hier muss sich das ganze Schulsystem ändern. Es muss also ein neues Schulsystem geben. Denn die Schülerinnen und Schüler müssen im Mittelpunkt stehen - mit allen ihren Bedürfnissen und ihren Fähigkeiten. Dann erst werden die Ziele der UNO erreicht. 

Alle müssen das bekommen, was gerade sie brauchen

Menschen, die blind sind, brauchen ihre eigene Blindenschrift im täglichen Leben. Sie brauchen auch ein eigenes Training, um sich mit dem Stock im Alltag zurecht zu finden. Oder gehörlose Schüler brauchen die Gebärdensprache. Dann können auch sie ohne Schwierigkeiten sprechen. All das wird zwar nicht ausdrücklich vom Monitoring-Ausschuss erwähnt, aber es ist im Sinne der UNO und der Selbstbestimmung. 

Einige Leute fürchten jetzt, dass viele Dinge fehlen werden. Sie glauben, wenn die Sonderschulen geschlossen werden, bekommen Kinder nicht mehr, was sie brauchen.

Aber das Konzept der Inklusion sieht eben vor, dass Menschen nicht ausgeschlossen werden und dennoch all das im Unterricht bekommen, was  für sie im Leben notwendig ist.

Wenn die UNO sagt, dass sie selbstbestimmt leben sollen, dann haben sie auch Rechte auf all das: Also auch auf Blindenschrift für Menschen, die nicht sehen. Oder Gebärdensprache für gehörlose Schülerinnen und Schüler. Oder auf den einzelnen ausgerichtete Unterstützung, für Schülerinnen und Schülern, die schwer lernen.

Sachwalter-Gebühren widersprechen der UN-Konvention

Ein Mann hat einen Sachwalter. Obwohl dieser nur für sein Geld verantwortlich ist, muss der Mann jetzt sehr viel dafür zahlen.

Er bekommt nur 784 Euro im Monat. Davon musste er schon seit längerem an seinen Sachwalter rund 1.030 Euro im Jahr zahlen. Seit neuestem zieht ihm auch das Gericht 267 Euro ab. Das findet er sehr ungerecht. Denn das sind fast zwei Monats-Löhne. Er verdient ohnehin wenig, und das Gericht kassiert bei ihm extra ab – für Dinge, die er gar nicht bestellt hat. Er konnte nicht einmal einen Einspruch machen.

Die Regierung hat nämlich ein Gesetz beschlossen, das eigentlich für das Geld des Staates (=Budget) zuständig ist. Und dort hat die Regierung Dinge für behinderte Menschen geändert. Behinderte Menschen durften aber nicht mitbestimmen. Ja, sie haben nicht einmal etwas davon erfahren! Sie hätten aber mitbestimmen müssen. Denn so schreibt es die UNO-Konvention vor. Und Österreich hat sich ja verpflichtet, sich daran zu halten.

Sachwalterschaft ist nicht mehr zeitgemäß

Das kritisiert auch Marianne Schulze vom Monitoring-Ausschuss. Menschen mit Behinderungen müssen mitsprechen können, wenn sie betroffen sind. Das sagt die UNO. Außerdem werden Menschen mit Behinderungen deshalb belastet, weil sie eine Behinderung haben. Obwohl sie selbst ja ohnehin wenig Geld haben. Das entspricht nicht dem Gesetz.

Außerdem ist der ganze Bereich der Sachwalterschaft ein Problem.

Denn wichtig ist, dass Menschen mit Behinderungen selbst bestimmen können. Sie müssen daher auch ihre eigenen Interessen formulieren können. Und sie müssen auch gehört werden. Es geht also darum, dass die Menschen mit Lernbehinderungen ihre Meinungen sagen können. Und sie müssen auch gehört werden.

Deshalb sind Juristen als Sachwalter nicht gut geeignet. Denn sie kümmern sich mehr um Gesetze und nicht um die individuellen Bedürfnisse der behinderten Menschen. Es muss der Schwerpunkt von der Bürokratie zur Selbstbestimmung verschoben werden.

Hilfsdienste, die nicht richtig funktionieren

Viele Menschen mit Behinderungen sind auf Unterstützung von anderen angewiesen. Doch diese Unterstützung funktioniert in vielen Situationen nicht. Das widerspricht dem Gedanken der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Sie können sich zu Recht erwarten, dass die Dienste genauso gut funktionieren, wie bei allen anderen auch.

Alle können auf die Einhaltung der Konvention bestehen. Pünktlichkeit und Höflichkeit aber sollten immer selbstverständlich sein! Dass Menschen mit Behinderungen besonders betroffen sind, ist doppelt schlimm: Denn sie werden nicht als normale Menschen betrachtet. Behinderung bedeutet für viele noch immer: als Objekt gesehen werden. Als Objekt, das Hilfe braucht, aber nicht als Mensch.

Wenn sie als Menschen gesehen würden, dann wäre würden die Dienste viel besser funktionieren, sagt Marianne Schulze. Ein Umdenken ist daher in vielen Bereichen notwendig. Vor allem dort, wo noch immer nicht professionell gearbeitet wird. Dieses Umdenken kann dann dazu führen, dass Gleichberechtigung und Selbstbestimmung normal sind.

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.


Seitenanfang