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Rubrik: Leichter Lesen
03. April 2005

Musik sagt mehr als 1000 Worte

von Franz Hoffmann und Gerhard Wagner

Viele Menschen mit Lernbehinderungen können nicht sprechen. Sie sind sprachlos. Und es gibt viele Nichtbehinderte, die es sich angewöhnt haben, für andere Menschen zu sprechen. »Für jemanden sprechen«, das ist bei erwachsenen Menschen aber nicht immer angebracht. Gibt es andere Möglichkeiten?

Musik ist auch eine Art von Sprache. Für behinderte Menschen wird sehr viel »getan«. Aber wird auch ernsthaft gesprochen? Ist es möglich, mit lernbehinderten Menschen zu sprechen? Wie können sich Menschen mit Lernbehinderungen möglichst gut ausdrücken?

Mit Musik seine Gefühle ausdrücken

Eine Musiktherapeutin sagt: Mit Musik kann man sich auch unterhalten, ohne zu sprechen. Das kann auch auf Familien übertragen werden. Man kann den anderen dann besser spüren. Dass man in der Familie spürt, was vom Angehörigen mit Lernbehinderung kommt, kann Musiktherapie erreichen: Und dass man auch etwas zurückgibt.

Wenn sich jemand ärgert, kann er es mit Musik hörbar machen, was er sonst nicht sagen kann. Musik dient dem Kontakt, sagt ein Schweizer Wissenschafter. Auch Menschen können sich mit Musik unterhalten, wenn sie andere Sprachen sprechen und sich eigentlich nicht verstehen.

Wie wirkt Musik?

Hören kann man ja schon sehr früh. Und Hören ist auch ein Spüren. Dieses Ansprechen, noch bevor man Worte versteht, kennen wir alle. Babys tun das. Es hat viel mit Mitschwingen und Gleichklingen zu tun.

Mit Musik können Menschen mit und ohne Lernbehinderung auf eine Ebene kommen. Wichtig ist, dass das Mitschwingen zählt und ein neues Verstehen entsteht. Aber erwarten, dass jemand jetzt auf einmal zu sprechen beginnt, das sollte man nicht.

Mütter haben sich leicht getan, aber die Väter haben alles über den Verstand machen wollen, sagt eine Therapeutin. Es geht gar nicht um Verstehen, sondern ums Zuhören und Spüren: Auch den anderen spüren.

Eine andere Therapeutin arbeitet hauptsächlich mit lernbehinderten Kindern. Diese können dann ohne Eltern erfahren, dass sie sich mitteilen und andere sie verstehen.

Manche fragen sich, ob es sinnvoll ist, wenn sie mit Menschen arbeiten, die schwere oder mehrere Behinderungen haben. Kommt das überhaupt an? Versteht der andere das denn?
Das Gefühl kennen viele Musiktherapeuten: Da passiert nichts! Oder: Das ist sinnlos! Oft entsteht dann die Frage: Was bringt das überhaupt? Dieser Frage muss man sich aber stellen, um sie überwinden zu können.

Den anderen verstehen

Eine andere Therapeutin meint, dass es manchmal ganz wichtig ist, die Ruhe zu haben und nicht zu viel gleichzeitig zu wollen. Die Musik soll kennengelernt werden. Sicherheit soll entstehen. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Und dann kann man ja schauen, wie Menschen mit Lernbehinderung darauf reagieren. Und was sich verändert, wenn die Musik schneller, langsamer, leiser oder lauter wird. Das kann man dann in jeder Therapiestunde so machen. So hat die Therapeutin auch Erfolg gehabt. Denn die Leute haben sich irgendwann einmal geöffnet.

Eine andere Therapeutin spricht von ganz wichtigen Zielen: Menschen, die nicht sprechen können, zu verstehen. Zu Leuten, die nicht sprechen, eine Nähe zu spüren. Trotzdem die Behinderung auch akzeptieren zu können. Dass Nähe entsteht, ist für beide Seiten schön. Und dass dann auch Therapeuten während der Musiktherapie von Menschen mit Behinderungen »berührt« werden.

Musiktherapie für 60 Euro

Eine Stunde Musiktherapie kostet ungefähr 60 Euro. Die Krankenkasse bezahlt das nicht. Auch als Beruf ist Musiktherapie noch nicht anerkannt in Österreich.

Und einmal mehr gilt: Nicht auf die Störungen schauen, sondern auf das, was möglich ist.

Sendungsverantwortlich: Julia Wolkerstorfer


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