Seitenanfang:

Link zum InhaltLink zum MenüLink zur Suche

Inhalt:

Rubrik: Leichter Lesen
27. Juli 2008

Wir unternehmen was!

von Franz Hoffmann, Gerhard Wagner

Was bringt behinderte Menschen dazu, sich selbstständig zu machen? Wollen sie schnell reich werden? Oder unabhängig? Oder sich selbst verwirklichen? Und das ist mehr wert als ein fixer Arbeitsplatz? Und ohne Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder bezahlte Überstunden?

Rollstuhlfahrer in Bewegung

Verschiedene Arbeitswege mit Behinderung

In der Wirtschaftskammer (das ist eine Vereinigung von Unternehmern) gibt es eine eigene Stelle für Unternehmer mit Behinderung. Christian Wodon ist selbst behindert und arbeitet in dieser Stelle. Er freut sich, dass immer mehr behinderte Unternehmer ihre eigene Firma gründen.

Nach der Matura hat er sich ein vielseitiges Wissen angeeignet. Das ist ihm jetzt als Berater für Unternehmer nützlich.

Martin Meyer ist blind arbeitet als Klavierstimmer. In seinem Beruf sorgt er dafür, dass ein Klavier die richtigen Töne spielt. Er erkennt alle Töne auf Anhieb. Das nennt man absolutes Gehör. Das ist ein außergewöhnliches Talent.

Er sagt: Das Schöne sind eigentlich die Menschen, zu denen ich komme. Aber auch gute Klaviere machen mir Spaß. Und schlechte Klaviere sind eine Herausforderung, das Beste aus dem Instrument zu machen.

Elisabeth Löffler benutzt den Rollstuhl und hat schon als Kind davon geträumt, auf der Bühne zu stehen. „Mit 26 habe mein erstes Tanzseminar gemacht“, sagt sie: „Nach einer Woche habe ich gewusst, ich muss tanzen und Performance machen“ (= künstlerisch auftreten).

Aber es ist nicht leicht, als Selbstständige oder Selbstständiger zu arbeiten und davon zu leben. Jeder zweite, der das versucht, muss nach 5 Jahren aufgeben.

Ein Unternehmen zu gründen, geht heute auch für behinderte Menschen schnell: Bei Klaus Tolliner ist alles glatt gegangen. Die Wirtschaftskammer hat ihm bei den Anträgen geholfen.

Kuriose Erlebnisse

Als Klavierstimmer reist Martin Meyer in der ganzen Schweiz herum. Und dabei erlebt er einiges: Einmal hat man ihn sogar in einer Fabrikshalle vergessen.

Nur Broterwerb ist die Arbeit für ihn nicht:Er kann sich selbst verwirklichen und auch zeigen, was er als blinder Klavierstimmer alles für andere tun kann. Elisabeth Löffler hat ein Projekt für Künstler namens "Bilderwerfer" gegründet. Künstler mit und ohne Behinderung haben 12 Jahre zusammengearbeitet. Als das Projekt dann aus war, ging sie zum Arbeitsamt.

Dort hat man ihr gesagt: Künstlerin ist kein Beruf, das ist kein 40-Stunden-Job, gehen Sie wieder ins Büro! „Da habe ich mir gedacht, ich mache mich lieber selbstständig. Nur so konnte ich offiziell weiter als Künstlerin arbeiten.“

Heute kann man bei ihr eine perfekt inszenierte Show sehen: „Sie könnten mich beobachten, wie ich auf einen VW-Bus aufs Dach klettere: In Motorrad-Bekleidung, blutüberströmt mit Theaterblut rutsche ich ganz langsam die Windschutzscheibe wieder herunter. Und dann bleibe ich ungefähr 10 Minuten unter kaputten Bus liegen. Die Leute glauben dann, ich bin tot.“

Karriere machen

Klaus Tolliner war früher Fotograf, und ist dabei verunglückt. Er macht aber weiter und besucht ein Fotografie-Seminar. Dort lernt er seine Frau kennen. Zuerst will er Werbefotograf werden.

Als er damit kein Geld verdient, macht er ein Studium. Dann besucht er neben seinem Beruf einen Universitätslehrgang mit Schwerpunkt Wirtschaft. Erst dann macht er sich selbständig. Er sagt: Alle haben dabei gewonnen! Auch meine Frau. Und ich habe sofort das Erlernte ausprobieren können.

Als Künstlerin hat es Elisabeth Löffler nicht leicht, denn sie muss die Aufführungen selbst vorher bezahlen und organisieren. Und als Künstlerin gilt sie nicht als typische Selbstständige mit einem tollen Handy und ähnlichem Luxus.

Förderungen bekommen – Unternehmer werden

Auch für behinderte Unternehmer gibt es Unterstützungen: Unternehmer müssen sonst beim Arzt etwas bezahlen, behinderte Unternehmer nicht.

Und das Bundessozialamt fördert seit Juni 2008 auch Arbeitsplätze für Unternehmer mit Behinderung.

Eine Voraussetzung ist, dass man durch selbständige Arbeit sein Leben finanzieren kann. Den Antrag muss noch stellen, bevor man ein Unternehmen gründet. Diese Förderungen sind in den letzten Jahren sehr beliebt geworden.

Behinderte Unternehmer können natürlich all jene Start-Förderungen in Anspruch nehmen, die es auch für die anderen gibt.

Aber nicht immer wird selbständige Unternehmenstätigkeit gefördert. Bei vielen Projekten darf man gar keinen Gewinn machen. Dann aber kann man danach nicht weiterbestehen. Denn ein Unternehmen und auch die Selbstständigen müssen von diesen Gewinnen leben. Also gelingt es kaum, aus Projektideen auch in ein eigenes Unternehmen zu machen.

Sich selbständig zu machen, kann anstrengend und sehr schwierig sein. Dennoch empfinden viele es als sehr erfüllend – auch Menschen mit Behinderungen.

Klaus Tolliner ist übrigens überzeugt, dass die Erfahrungen nach seinem Unfall auch für seine Tätigkeit als Unternehmer wichtig waren. Er hat viel von diesen früheren Erfahrungen lernen können: „Ich wäre wahrscheinlich nicht dort, wo ich jetzt bin.“

Um sich selbstständig zu machen, braucht man nicht viel: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und eine vernünftige Planung. Das ist eine gute Basis für den späteren Erfolg.

Die Bilder stammen von Bösendorfer (Klavierfirma), Gerhard Wagner und der Wirtschaftskammer Österreich


Seitenanfang